Sturmkönige 03 - Glutsand
ihre Teppiche der Feuchtigkeit nicht ewig standhalten konnten?
Die Lichter der Soldaten irrten vor ihm durch die Dunkelheit. Geschwindigkeit war ihre einzige Chance, um der Hitze und dem giftigen Odem zu entkommen. Es drängte ihn, vorwärtszupreschen, ungeachtet der anderen. Der Abstand zwischen Schlamm und Tunneldecke war nicht groß genug, um an ihnen vorbeizuziehen. Immer heftiger brannte in ihm der Wunsch, sie beiseitezustoßen, als wäre das hier eines der verbotenen Rennen in Samarkand.
Endlich tauchte das Ende des Tunnels auf. Kein Licht, nur ein grauer Schimmer, bleich und kränklich wie sie selbst, wenn sie nicht bald hier herauskamen.
Vor ihnen öffnete sich eine Art Saal, kuppelförmig und höher als der Tunnel zuvor. Der schwache Dämmerschein fiel aus der Höhe herab und übergoss sie mit mattem Grau. Junis blinzelte Schweiß aus seinen Augen, aber ihnen blieb keine Zeit, sich an diesen Hauch von Helligkeit zu gewöhnen. Sternenlicht, dachte er. Mondschein. Aber er sah keinen Himmel hoch oben über der Öffnung, keinen Ausschnitt des Firmaments. Natürlich nicht – hätte der Zugang so offen gelegen, dann hätten ihn auch die Dschinne längst bemerkt und erforscht. Möglicherweise hätten sie etwas hier unten platziert, das Angreifer aus der Tiefe aufhalten sollte.
Ein Klatschen ertönte, zu lang gezogen, als dass es ein Aufprall auf dem Schlamm hätte sein können. Eher ein Prasseln.
Dann begannen die Schreie.
Mehrere Teppiche schossen nach oben, geradewegs Richtung Ausgang. Der Hauptmann rief Befehle, aber er konnte das gequälte Geschrei nicht übertönen. Zwei oder drei Männer brüllten gleichzeitig wie am Spieß. Erneut ertönte das Prasseln, und diesmal bekam auch Junis zu spüren, warum die Soldaten so schrien.
Sein rechter Arm schien plötzlich in Flammen zu stehen. Stinkender Rauch stieg auf, als sich Löcher in den Stoff seines schwarzen Ärmels fraßen. Nur winzige Punkte. Im nächsten Augenblick spürte er schon, wie sich die Säurespritzer in sein Fleisch brannten. Statt seinem Instinkt zu folgen und sie mit der anderen Hand wegzuwischen oder sich das Hemd vom Leib zu reißen, ließ er den linken Arm im Muster stecken. Ertrug den Schmerz, weil er wusste, dass ihn die wenigen Tropfen nicht töten oder verstümmeln würden. Zugleich sandte er den Befehl ins Knüpfwerk, aus dem Kuppelsaal ein Stück weit in den Tunnel zurückzuweichen.
Das rettete ihm das Leben.
Die Männer, die als Erste zur Öffnung im Ziegeldach aufgestiegen waren, wurden von breiten Säurefontänen erfasst. Einer wurde aus dem Dunkel von einem solchen Schwall angespien, dass ihn der Aufprall der Flüssigkeit in eine rote Wolke verwandelte, wie feiner Staub, der von einem Windstoß auseinandergeblasen wurde. Seine Partikel trafen mit dem Rest der Säure auf die übrigen fünf oder sechs Männer dort oben. Ein zweiter Strahl erwischte sie aus einer anderen Richtung, und gemeinsam verklumpten sie zu einem Knäuel aus zerfließenden Körpern, das schon im nächsten Moment in die Tiefe stürzte, auf die Schlammkruste schlug und zu einem rotweißen Fladen zerplatzte.
Licht flammte auf, als jemand eine Öllampe in hohem Bogen in die Richtung der Säurespeier schleuderte. Sie zerbrach an der Wand und übergoss etwas mit brennendem Öl. Für einen Augenblick, wie erstarrt in der Zeit, sah Junis zwei riesenhafte Schmetterlingswesen im Feuerschein. Ihre mächtigen Schwingen hafteten weit ausgebreitet an den gewölbten Ziegelwänden, reichten von der Oberfläche des Schlamms fast bis zur Decke. Ihre Fühler zuckten vor Erregung. Die Wurmenden ihrer Körper krümmten sich nach vorn, als sie Säure für den nächsten Angriff emporwürgten.
Sandfalter. Sie waren die schönsten und zugleich schrecklichsten Kreaturen, die Junis jemals gesehen hatte. Nicht einmal das Blut der toten Männer, das im Pelz ihrer Raupensegmente klebte, vermochte etwas an diesem ersten, unwirklichen Eindruck zu ändern. Ihre Schwingen waren mit wolkigen Formen gemustert, verschlungene Fresken von filigraner Eleganz.
Die riesigen Flügel erzitterten, als die Wesen versuchten, damit zu schlagen. Das lodernde Öl hatte eines von ihnen getroffen und brannte sich durch die pergamentene Haut. Der Sandfalter schüttelte sich und sah aus, als erstickte er an seiner eigenen Säure. Doch kein Laut drang aus seinem Maul, kein Schmerzensschrei, kein Kreischen. Das Wesen litt stumm und steigerte sich in noch größere Wut hinein.
Im Schein des brennenden Öls
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