Sturmkönige 03 - Glutsand
erkannte Junis, warum sich die Falter nicht von den Wänden fortbewegten. Ihre Schwingen waren dort aufgespießt worden, jeder Flügel mit zwei langen Lanzen – wie seltene Sammlerstücke hingen sie dort am Mauerwerk, angenagelt für den einen Zweck, im Dunkel auf Eindringlinge zu lauern.
Außer Junis lebten noch drei Soldaten. Der Hauptmann war nicht unter ihnen. Seine Überreste trieben mit denen der anderen Toten wie eine schillernde Milchhaut auf dem Schlamm.
Der nächste Säureschwall traf den Mann, der die Lampe geschleudert hatte. Er verschwand inmitten der Fontäne, und als sie versiegte, gab es keine Spur mehr von ihm oder seinem Teppich.
Einer der beiden überlebenden Soldaten wich im Flackerschein des brennenden Schmetterlingsflügels einem Säurestrahl aus. Zugleich faltete sich sein Teppich um ihn zu einem schützenden Gebilde, das im schwachen Licht nicht deutlich zu erkennen war. Ein stilisierter Käfer vielleicht. Junis war nicht sicher.
Im nächsten Moment spielte es keine Rolle mehr. Der brennende Sandfalter bäumte sich derart heftig auf, dass sein Körper auf ganzer Länge von der lodernden linken Schwinge abriss. Der gewaltige Wurmkörper, anderthalb Mannslängen hoch, sackte nach vorn, jetzt nur noch von dem angenagelten zweiten Flügel gehalten. In seiner Pein spie er einen Säureschwall aus, ungezielt, fast steil nach oben, der im nächsten Moment unter die Kuppeldecke klatschte. Dort prallte die Flüssigkeit ab und regnete als feiner Schauer auf den unterirdischen Saal herab. Der verschlungene Teppichkokon wurde getroffen, bevor er den Zugang zum Tunnel erreichen konnte. Sogleich ätzten sich tausende Tropfen durch das Knüpfwerk, während das bizarre Gebilde rauchend weiterflog, genau auf Junis zu, der alarmiert erkannte, dass der schreiende Mann im Inneren die Kontrolle verloren hatte. Plötzlich begann sich die Form des Teppichs in blitzschnellem Wechsel zu verändern. Im Flug und inmitten eines Schweifs aus beißendem Rauch faltete sich das Gebilde neu und neu und neu, im Takt eines rasenden Herzschlags, sechs, sieben Mal, bevor es die Tunnelöffnung erreichte. Junis konnte gerade noch ausweichen, wurde von einer Wolke des stinkenden Säurequalms gestreift und sah das zuckende Knäuel in der Finsternis verschwinden. Bald darauf hörte er aus der Schwärze einen Aufprall, dann ein scharfes Zischen.
Mit brennenden Augen blickte er zurück in den Kuppelsaal. »Hierher!«, brüllte er dem letzten Soldaten zu. Der Mann war gleichfalls von dem Säureregen gestreift worden. Offenbar hatte er die Orientierung verloren. Er flog wild umher, in zackigen Winkeln wie ein Ball, der von den Wänden zurückgeworfen wurde, in dem panischen Bemühen, weiteren Angriffen auszuweichen.
Der verstümmelte Sandfalter hing jetzt zuckend an seiner einen Schwinge, spie aber keine Säure mehr. Der andere aber tobte noch heftiger und warf sich wieder und wieder nach vorn. Seine Schwingen rutschten auf den Lanzenschaften vor und zurück, während er ungezielt einen weiteren Schwall in die Kuppel spie. Die triefenden Säurefäden von der Decke konnten ihm nichts anhaben, aber der Gestank des brennenden Flügels brachte ihn um den Verstand.
Erneut brüllte Junis dem Soldaten zu, er möge sich zu ihm in den Tunnel zurückziehen, und diesmal hörte ihn der Mann. Er raste unter dem Säurestrahl des tobenden Falters hinweg, bevor der ihn erfassen konnte. Tropfen ließen Rauch von seiner Kleidung aufsteigen und brannten sich in seine Haut. Trotzdem flog er weiter, würde es schaffen, wenn nicht -
Die Lanzen gaben nach. Der Sandfalter löste sich von der Wand, stieß sich mit den Schwingen nach vorn ab, faltete sie auf und wieder zu – und erfasste dabei den fliegenden Teppich vor ihm in der Luft. Reiter und Knüpfwerk verschwanden zwischen den riesigen Flügeln. Der Falter geriet in noch größere Panik, öffnete die Schwingen wieder und entließ den unerwünschten Gefangenen. Der aber war von der Kollision derart überrumpelt worden, dass er die Hand aus dem Muster gerissen hatte. Der Teppich wurde aus seiner Bahn geworfen und raste steil nach unten. Junis schrie auf, als er sich unmittelbar vor ihm in den Schlamm bohrte und in einer Eruption aus heißem Morast verschwand.
Der Sandfalter aber schwebte nach oben, der Öffnung im Kuppeldach entgegen. Angeschlagen von den Wunden in seinen Schwingen, panisch, in Raserei, flatterte er aufwärts, erzeugte wilde Strudel in den Säure- und Schlammdämpfen, während die
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