Sturmkönige 03 - Glutsand
wollte er nicht eingehen.
Noch einmal versuchte er, den anderen anzusprechen. Vergebens. Schließlich sagte er sich, dass es ohnedies klüger war, sich allein durchzuschlagen. Er brauchte keine Hilfe, schon gar keinen Begleiter. Ein paar Hinweise auf Wege in die Zikkurat wären ihm willkommen gewesen, vielleicht eine Bestätigung seiner Hoffnung, dass sich Jibril in der Ruine befand. Aber wie es aussah, würde er die Wahrheit allein herausfinden müssen.
Nach einem sichernden Blick auf die Dschinne vor dem Nachthimmel und das unverminderte Toben der Gefangenen richtete er sich vorsichtig wieder auf. Er wollte sich weiter an der Mauer entlangtasten, um die nächste Ecke herum. Dort gab es einen Durchgang. Unter dem halb zerfallenen Bogen schwebte ein Dschinn, pendelte langsam auf und ab und hielt alle Sklaven, die ihm zu nahe kamen, mit brutalen Schlägen seines Streitkolbens auf Distanz.
Junis musste sich von der Mauer lösen, um den Sitzenden zu umrunden. Erst als er mit ihm auf einer Höhe war, keine halbe Armlänge entfernt, wurde ihm bewusst, dass der Mann nun das Schwert neben seinem Bein sehen konnte.
Eine magere Hand schoss vor, packte seine blutbefleckte Hose. Instinktiv wollte er sich losreißen, den anderen mit einem Tritt beiseitestoßen – als der Mann das Gesicht hob und ihn von unten ansah.
Er sagte kein Wort, starrte nur zu Junis herauf, aus dunklen, Schmutz geränderten Augen. Darin stand kein Irrsinn wie bei den anderen. Nur Misstrauen, Furcht – und die Entschlossenheit, Junis mit einem Stoß zwischen die Kämpfenden zu befördern, falls er versuchen sollte, ihn abzuschütteln.
Junis stand da, die Hand des Mannes am Bein, nur wenige Fingerbreit von der versteckten Schwertklinge entfernt.
»Du bist keiner von denen«, sagte er zu dem Mann.
Der starrte ihn weiterhin wortlos an, mit verkniffenen Augen, als könnte er Junis nicht genau sehen. Oder als versuchte er, geradewegs in seine Gedanken zu blicken.
»Sind alle, die sich am Fuß der Mauern verkrochen haben, wie du?«, versuchte Junis es noch einmal. Aus dem Augenwinkel behielt er zwei Dschinne mit Fackeln im Blick, die sich über die tobende Menge hinweg näherten.
Wieder keine Antwort. Gab es Spione unter den Gefangenen? Würde der Kerl die Dschinne alarmieren und mit dem Finger auf Junis zeigen? Noch konnte er ihn mit der Klinge fortstoßen, notfalls töten. Vielleicht war es das, was er tun sollte.
Die beiden Fackelträger schwebten heran. Betrachteten sorgfältig jeden Kopf, den die Flammen beschienen. Verzerrte, geifernde, schreiende Fratzen, kaum menschlicher als die Dschinne selbst.
Der schweigende Mann betrachtete ihn noch immer. Aus der Nähe musste er erkennen, aus was die stinkenden Fetzen über Junis’ Kleidung bestanden. Das geschwärzte Purpur, die Spuren geflammter Hautmuster.
»Loslassen«, sagte Junis leise.
Er hatte nicht erwartet, dass der andere gehorchen würde, doch die knochigen Finger zogen sich zurück. Nur der prüfende Blick haftete weiter an ihm. Er war nicht mehr sicher, was ihm unangenehmer war.
Einer der Dschinne bog ab, hatte etwas auf der anderen Seite des Geheges entdeckt. Der andere aber kam unverändert näher.
Junis ging weiter. Er spürte, dass ihm der Blick des sitzenden Mannes folgte. Mit einem Dschinn im Nacken hätte er nichts aus ihm herausbekommen. Besser, er vergaß den Kerl.
Trotzdem beobachtete er auch die anderen Sitzenden, die weit verstreut vor den Mauern kauerten. Einer schien herüberzuschauen, aber das mochte eine Täuschung sein. Ehe Junis sich vergewissern konnte, hatte sich die Lücke zwischen den Besessenen bereits geschlossen, der Mann war verschwunden.
Der Dschinn mit der Fackel schwebte auf die Mauer zu, drehte sich genau über dem stummen Fremden. Aber er schaute nicht auf ihn hinab, auch nicht zu Junis herüber, sondern sah erneut über die rasende Menge.
Junis ging langsam weiter. An der Mauer entlang, auf den Durchgang zu.
Noch einmal blickte er zurück und sah, dass der Mann wieder den Kopf gesenkt und die Hände darüber verschränkt hatte. Aber Junis schien es, als beobachtete er ihn weiterhin verstohlen aus dem Schatten unter seinen Armen.
Egal. Er wandte sich nach vorn. Nur keine überhasteten Bewegungen. Seine Hand am Schwertgriff war feucht von seinem Schweiß. Nicht gut, aber das war zu erwarten gewesen.
Vor ihm, nur noch wenige Meter entfernt, schlug der Dschinn im Durchgang nach einer Besessenen. Die Klingen am Ende des Streitkolbens schnitten den
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