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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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diesem Lärm wahrscheinlich das halbe Lager zu alarmieren.«
    »Die haben noch genug draußen in den Pferchen zu tun«, sagte sie schulterzuckend. »So schnell suchen die hier nicht nach uns.«
    »Bist du schon öfter weggelaufen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er seufzte leise und eilte weiter. Es war zu düster, um Einzelheiten der Umgebung auszumachen. Ihr Gesicht lag ebenso im Finsteren wie die Wände rechts und links. Nur wenn von außen der Schein der Fackeln durch einen Spalt fiel, sah er die Oberfläche der uralten Lehmmauern und die Fußspuren, die er im weichen Sand hinterließ. Die Decke musste früher einmal höher gewesen sein. Wahrscheinlich war mindestens ein Viertel des Stockwerks in der Wüste versunken.
    Abrupt blieb er stehen. »Still!«
    »Ich hab gar nichts gesagt.«
    Er warf einen zornigen Blick über die Schulter auf ihre schwarze Silhouette, ehe ihm klar wurde, dass er sich das auch hätte sparen können – sie vermochte sein Gesicht ebenso wenig zu sehen wie er das ihre.
    Sie standen beide reglos da und horchten. Weit entfernt und stark gedämpft drang noch immer das Geschrei aus den Sklavengehegen an ihre Ohren, eine verwischte Lärmkulisse, in der die Stimmen von Menschen und Dschinnen ununterscheidbar ineinanderflossen. Junis und das Mädchen mussten die Zikkurat bereits so weit umrundet haben, dass sie sich nun auf jener Seite befanden, an die keine Pferche grenzten. Seltsam, er hatte angenommen, dass sie bereits viel weiter gekommen waren. Hatten sie den Aufgang verpasst und waren im Kreis gelaufen?
    Er konzentrierte sich wieder auf die Geräusche. Was er gerade eben gehört hatte, war nicht der Lärm aus den Pferchen gewesen. Ein hohes Kreischen oder ein scheußliches Lachen, womöglich etwas ganz und gar anderes – es klang nicht menschlich und erinnerte ihn einmal mehr an die Hölle der Hängenden Städte.
    Die Laute kamen von oben. Unmittelbar vor ihnen musste es einen Aufstieg in die höheren Stufen der Ruine geben.
    Aber als sie weiterhuschten, jetzt noch vorsichtiger und leiser, tat sich vor ihnen in der Wand weder ein Durchgang, noch ein Treppenschacht auf.
    »Jetzt könntest du mich runterwerfen«, flüsterte das Mädchen in seinem Rücken.
    »Was?«
    »Wir sind jetzt hoch genug«, sagte sie mit einem Achselzucken.
    Endlich begriff er. Tatsächlich waren sie bereits die ganze Zeit über auf dem Weg nach oben. Was er für einen Ringkorridor rund um das vermeintliche Erdgeschoss gehalten hatte, war in Wirklichkeit eine schneckenhausförmige Rampe, die sich wie eine Spirale um eine breite Kernspindel nach oben schraubte. Darum wurde der Lärm aus den Gehegen leiser – sie befanden sich bereits hoch über den Köpfen der Gefangenen. Die Steigung des Bodens war aufgrund der weiten Rundung nur gering und wurde zudem vom Sand ausgeglichen, der jahrhundertelang hier hereingetrieben worden war. Kein Wunder, dass ihm vorher nichts aufgefallen war. Die gesamte Zikkurat bestand aus einer einzigen gewaltigen Korridorspirale.
    Zugleich bedeutete dies, dass sich außerhalb der Mauern Dschinne befanden, jene Wächter, die er außen auf den Stufen gesehen hatte. Alles, was sie von den feindlichen Kriegern trennte, war die marode Ziegelmauer zu ihrer Linken.
    Behutsam setzte er sich wieder in Bewegung. Das Mädchen folgte ihm wie sein Schatten. Er durfte sich jetzt keine Gedanken mehr über sie machen, musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren. Wenn er Jibril nicht fand, musste er alles daransetzen, hinauf zu der zerstörten Spitze der Zikkurat zu gelangen, um – ja, was? Zu hoffen, dass der Teppich wieder auftauchte? Dass er seinen Befehl ausführen konnte? Und ihn die Dschinne nicht eingeholt und zerstört hatten?
    Für einen Moment überkam ihn tiefe Hoffnungslosigkeit. Aber er hatte nicht den höllischen Flug durch den Tunnel überlebt, den Säureregen der Sandfalter, um jetzt einfach aufzugeben. Nicht allein wegen des Schwurs, wegen Maryam, sondern, ja: um seiner selbst willen. Seit seinem selbstmörderischen Flug nach Bagdad war dies das erste Mal, dass er wieder so etwas wie Lebenswillen in sich spürte, und wenn auch nur aus Trotz: Jetzt erst recht!
    Er packte das Schwert fester und setzte seine Schritte entschlossener. Das Kreischen und Lachen – oder eine grauenvolle Mischung aus beidem – wurde allmählich lauter, kam näher. Er hörte Eisen klirren und dachte unwillkürlich an die gerüstete Leibgarde der Dschinnfürsten, die er in den Zagrosbergen gesehen hatte. Er musste

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