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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einen Blick auf das werfen, was sie bewachten, um dann zu entscheiden, wie er weiter vorgehen wollte.
    »Warte«, flüsterte er und blieb stehen.
    Das Mädchen erstarrte. Einen Moment lang sah sie aus, als wollte sie wieder diese linkische Abwehrhaltung mit geballten Fäusten einnehmen. Dann aber entspannte sie sich ein wenig und stand einfach nur da, abwartend.
    Durch einen Riss in der Außenwand fiel ein diffuser Lichtstreifen auf Junis. Dort draußen mochten Dschinne mit Fackeln schweben.
    »Komm näher«, sagte er leise und winkte sie heran.
    »Warum?«
    »Ich will dein Gesicht sehen.«
    Sie blieb noch einen Moment stehen, dann trat sie lautlos heran. Der vage Flammenschimmer floss über ihre Konturen, hob ihre Züge aus der Finsternis.
    »Was?«, wollte sie wissen, gereizt und fast ein wenig eitel.
    »Du bist wirklich noch ein Kind.«
    »Das hab ich doch gesagt.«
    Nicht einmal mehrere Lagen aus Schmutz konnten verbergen, dass das Mädchen darunter nicht älter war als vierzehn. Sie war abgemagert wie all die Sklaven in den Gehegen, ihre Miene ausgezehrt, die Wangen tief eingefallen. Unter ihren Augen lagen Ringe. Ihr Haar war dünn, und er sah kahle Stellen schimmern, wo ganze Büschel ausgefallen waren. Ihre Lippen waren aufgebissen und hässlich verkrustet. Sie hatte irgendwann aus der Nase geblutet und das Rinnsal achtlos trocknen lassen. Außerdem fehlte ihr ein Ohr, und als er den Kopf leicht neigte und genauer hinsah, bemerkte er, dass dort eine scheußliche Narbe prangte.
    Er holte tief Luft, vergaß alles, was er bislang über sie gedacht hatte, und flüsterte: »Ich kann dich da oben nicht beschützen.«
    »Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
    »Nein. Nicht hier.«
    Sie wollte etwas erwidern, offenbar sehr heftig, aber er brachte sie mit einem Wink zum Schweigen. Der Lichtschein, in dem sie standen, bewegte sich, wanderte von ihnen fort an der Innenwand entlang. Der Dschinn, der draußen auf der Zikkuratstufe eine Fackel hielt, hatte seinen Posten verlassen und entfernte sich von dem Riss in der Wand.
    Einen Augenblick später wurde die Helligkeit von den Schatten verschluckt.
    Das Mädchen kam näher an Junis heran, aber er hielt sie mit einer Hand auf Distanz. Er konnte sich jetzt nur noch auf sein Gehör verlassen. Jedes noch so leise Scharren ihrer Füße im Sand hätte ihn abgelenkt. Er hielt den Atem an. Horchte erneut.
    Das Kreischen und Lachen über ihnen im Spiralgang war verstummt. Da waren noch Stimmen, jetzt viel gedämpfter, und noch etwas -
    Atemzüge.
    Ganz in der Nähe.
    Nicht die des Mädchens. Zugleich hörte er das Fauchen einer Fackel. Der Dschinn von draußen musste weiter oben ins Innere der Ruine geschwebt sein. Jetzt kam er ihnen von dort entgegen.
    Zuckender Flammenschein schob sich hinter der Biegung heran.
    Junis presste das Mädchen an die Innenwand, drückte sich flach daneben. Hob die Hand mit dem Schwert und presste die Klinge in den Spalt zwischen ihnen, damit der Stahl das Licht nicht reflektierte.
    Stumm standen sie da. Warteten ab.
    Die Helligkeit breitete sich über die Wölbung der gegenüberliegenden Wand. Das Schnaufen des Dschinns wurde lauter. Nur noch ein paar Meter, dann würde er um die Biegung kommen.
    »Warte hier!«, flüsterte Junis.
    Ihre Hand legte sich um seinen Unterarm, wollte ihn zurückhalten. Er streifte sie ab. Der Kampf mit dem Dschinn war unausweichlich. Aber es war nicht nötig, dass der Krieger auch das Mädchen bemerkte. Falls er Junis besiegte, blieb ihr vielleicht noch eine Chance zu entkommen.
    Aber wohin? Nur zurück ins Gehege, zum langen Warten auf den Sturm auf Bagdad. Auf ihren unvermeidlichen Tod zwischen all den Besessenen. Das wusste sie so gut wie er. Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb sie nicht daran dachte, allein zurückzubleiben.
    Stattdessen löste sie sich plötzlich von der Wand, lief in die Mitte des Gangs, öffnete den Mund, um den Dschinn auf sich aufmerksam zu machen und Junis vielleicht eine Chance zu geben, ihn zu überrumpeln.
    Der Dschinn raste heran, noch bevor sie einen Ton von sich geben konnte.
    Er musste ihre Anwesenheit gewittert haben, bevor er sie hatte sehen können. Grimmig schoss er um die Biegung und fegte auf das Mädchen zu. Die Fackel trug er mit links. Mit der Rechten hielt er eine Lanze im Anschlag, waagerecht vorgestreckt, die sie im nächsten Augenblick aufspießen würde.

 
In Flammen
     
     
    Junis sprang vor. Noch während das Mädchen etwas in einer Sprache rief, die er nicht

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