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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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durchzusetzen und sich die Unterstützung der Sturmkönige zu sichern.
    »Warum willst du ihn befreien?«, fragte sie unvermittelt. »Du setzt dein Leben aufs Spiel, um ihm zu helfen. Du bist bereit, für ihn zu sterben. Dabei war doch er es, der die Stürme geschickt hat, nicht wahr?«
    Was sollte er darauf erwidern? »Ja, das hat er wohl«, gestand er mit einigem Unbehagen.
    »Dann hat er sehr viele von uns getötet. Nicht nur Dschinne. Die meisten, die in den Bergen umgekommen sind, waren Gefangene. Sklaven wie ich.« Sie legte den Finger so tief in die Wunde, dass er einmal mehr bereute, sie mitgenommen zu haben. Aber sie war natürlich im Recht. Das machte es nur noch schlimmer.
    »Wir wussten nicht, dass -«
    »Du warst auch dabei? Du warst einer von den Männern in den Stürmen?«
    »Ja… nein, ich bin auf einem Teppich geritten. Aber ich war bei ihnen.«
    »Dann waren das deine Freunde?«
    »Ich weiß nicht, ob sie das waren.« Er wusste nicht einmal, was Maryam gewesen war. Und die anderen? Genau genommen hatte er sie alle kaum gekannt und die wenigsten von ihnen gemocht. Mit Ausnahme von Ali Saban, ausgerechnet demjenigen unter den Sturmkönigen, der am vehementesten gegen den Angriff auf den Heerzug protestiert hatte. Junis war seiner Meinung gewesen – bis Maryam und Jibril ihn umgestimmt hatten. Bis ihm die Menschen unten im Tal so gleichgültig gewesen waren wie ihnen.
    Plötzlich schämte er sich. Schämte sich vor diesem Kind und vor den Toten. Allmählich verlor er jegliche Achtung vor sich selbst.
    Der bittere Vorwurf in ihren Augen war nicht zu übersehen. »Sie waren nicht alle so. Es gab noch mehr wie mich und Hamidala, viele, viele mehr. Manche haben nur so getan, als wären sie leer.«
    Er hielt ihrem anklagenden Blick nicht mehr stand und sah an ihr vorbei zum Feuer.
    Aber sie war noch nicht fertig. Ihre Stimme klang rau und erstickt. »Die Stürme sind aus dem Nichts gekommen. In der kurzen Zeit haben sie mehr Menschen getötet, als die Dschinne in vielen Monaten. Haben sie einfach fortgerissen, durch die Luft gewirbelt, an den Felsen zerschmettert und zerfetzt.« Tränen traten ihr in die Augen. »Warum habt ihr das getan?«
    Er hatte die Frage kommen sehen. Dies war nicht die Zeit und nicht der Ort dafür, und er war ihr nichts schuldig, jedenfalls wollte er sich das einreden. Aber die Wahrheit war: Die Sturmkönige schuldeten ihr eine Menge, und Antworten waren das Mindeste, das er ihr geben konnte.
    »Der Plan war, die Dschinne aufzuhalten, bevor sie die andere Seite der Berge erreichen«, sagte er. »Wir wollten sie von Bagdad fernhalten.«
    »Aber ihr habt all diese Menschen getötet, und jetzt sind die Dschinne trotzdem hier -«
    »Und Bagdad wird untergehen.«
    »Sie sind für nichts und wieder nichts gestorben.« Ihre Stimme gewann noch immer an Schärfe. »Und nun willst du ausgerechnet den befreien, der die Schuld daran trägt?«
    »Ich habe einen Schwur geleistet.«
    »Aber er hat es nicht verdient, dass du ihm hilfst!«, widersprach sie hart. »Was immer sie ihm antun – es ist richtig so.«
    »Vielleicht. Aber das habe nicht ich zu entscheiden und du auch nicht.«
    »Wer dann?«
    Ihm gingen die Antworten aus. Seine Überzeugung war ins Wanken geraten, weil sie aussprach, was er selbst oft genug gedacht, aber immer wieder verdrängt hatte. Sie kauerte vor ihm wie sein Fleisch gewordenes schlechtes Gewissen, sagte all die Dinge, die er wusste, aber nicht wahrhaben wollte.
    »Das hier ist nicht der Ort für so was«, sagte er leise. »Ich versteh dich ja, aber wir sind schon zu weit gegangen, um -«
    »Wieso zu weit?« Sie sah ihn mit glänzenden Augen an. »Lass ihn hier. Sollen sie ihn töten oder foltern oder was immer sie mit ihm anstellen wollen. Wir nehmen einfach deinen Teppich und verschwinden.«
    »Nein.« Das hier musste auf der Stelle aufhören. »Ich bin gekommen, um Jibril zu befreien, und genau das werde ich tun.«
    Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie nicht begreifen, dass er nicht genauso empfand wie sie. Als er aufsprang, das Versteck hinter der Kante verließ und geduckt an der Wand entlang zur Rampe auf der anderen Seite der Halle lief, blieb sie sitzen, klein und niedergeschlagen und sehr verletzlich.
    Es kam ihm vor, als liefe er vor ihr davon, und dafür fühlte er sich noch elender. Als trüge tatsächlich er die Verantwortung für die Schlacht in den Zagrosbergen. Aber das war ein Dilemma, aus dem er nicht herauskam. Er musste sich zwischen Maryam

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