Sturmkönige 03 - Glutsand
ihre langen Unterkiefer bebten. Speichel troff von den Fangzähnen, wenn einer den Mund aufriss, um ein peinvolles Stöhnen auszustoßen. Dennoch ließ keiner los. Sie würden eher lebendig verbrennen, als den Befehl ihrer Meister zu missachten.
Derweil saßen die beiden Fürsten nur da, die unteren ihrer vier Ellbogen auf die knöchernen Armlehnen gestützt. Die Hände eines jeden waren vor der muskulösen Brust verschränkt, um Kopf und Kinn darauf abzulegen. Eindringlich beobachteten sie ihren Gefangenen.
Sie warten darauf, dass der Schmerz ihn umbringt, durchzuckte es Junis. Vielleicht konnten sie ihn anders nicht töten, kamen nicht an das heran, was ihn am Leben hielt. Kein Dolchstoß, kein Schwerthieb vermochte zu vernichten, was da in Gestalt eines kränklichen Kindes vor ihnen hing. Jibril, der den Rebellen allein durch seine Nähe die Macht über die Stürme verliehen hatte, war kein Junge, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mochte. Da war mehr als das schwächliche Äußere, diese bleiche, blutleere Hülle. Wer ihn eine Weile lang ansah, konnte es spüren: die Anwesenheit eines anderen, größeren, unsichtbaren Jibril, der wie ein Gespenst über dem vermeintlichen Kind schwebte.
Abermals kreuzte Junis den Blick des Jungen, hoch über der Feuergrube. Jibrils Augen reflektierten den Flammenschein, als wären sie als einzige Teile seines Körpers in Brand geraten. Wie Windlichter loderten sie in den Höhlen.
Etwas hielt Einzug in Junis’ Gedanken. Ganz plötzlich war es in ihm, erst Wärme, dann eine verzehrende Glut, die ihn um ein Haar hätte aufschreien lassen. Es dauerte einen Moment, ehe ihm klar wurde, dass es nicht Schmerz war, den Jibril auf ihn übertrug. Etwas anderes. Eine Stärke, die nichts mit Muskelkraft zu tun hatte.
Junis’ geschundener Leib war übersät mit Prellungen und Schürfwunden, aber nun spürte er sie nicht mehr. Die Erschöpfung, die ihn erst unmerklich, zuletzt immer deutlicher geschwächt hatte, dampfte wie Wasser von seiner erhitzten Haut.
Und dann hörte er in sich eine Stimme, und er fragte sich, ob es so für Tarik war, wenn er den Narbennarren spürte, Amaryllis’ geisterhaftes Flüstern.
Erschlag sie, raunte es in ihm. Zerfetze sie alle!
Junis badete im Schein der fremden Feueraugen und lächelte. Dann erhob er sich langsam und trat mit dem Schwert in der Hand vor seine Feinde.
Sturmgewalt
Jemand kam ihm zuvor.
Ehe sich alle Blicke auf Junis richten konnten, betrat eine zweite Gestalt die feuerdurchflammte Ruinenhalle. Nicht über die Rampe wie er, sondern durch eine Öffnung in der Wand, einen halb zerfallenen Torbogen. Sie kam nicht zu Fuß, sondern wurde getragen, von einem Dschinn, der sie zärtlich in den Armen hielt und vorsichtig am Boden absetzte, als fürchtete er, sie zu zerbrechen wie eine kostbare Tonfigur.
»Da ist er«, sagte sie und zeigte auf Junis.
Die fremde Macht in seinem Inneren stärkte ihn, erfrischte ihn, machte ihn zu einem anderen. Aber sie bewahrte ihn nicht vor dem eiskalten Grauen, das ihn packte, als er das Sklavenmädchen erkannte.
Ihre tief liegenden Augen waren voller Schatten, trotz des nahen Feuers. Ihre Miene verriet nicht, was in ihr vorging. Nur ihre Hände waren zu Fäusten geballt.
Die vier Dschinne unter der Decke stießen ein wutentbranntes Heulen aus. Wäre es ihnen erlaubt gewesen, die Ketten des Gefangenen loszulassen, sie hätten sich sofort auf Junis gestürzt. So aber starrten sie ihn nur hasserfüllt an, während die Hitze des Eisens stinkenden Rauch zwischen ihren Fingern aufsteigen ließ.
Die Knochenthrone drehten sich in der Luft, wandten sich Junis zu. Die beiden Dschinnfürsten hoben gleichzeitig die Köpfe von den verschränkten Händen und öffneten die Finger zu blitzschnellen Abfolgen verschlungener Gesten. Sie woben Zeichen ins Leere, Beschwörungen, und zugleich schoss der Dschinnkrieger, der das Mädchen getragen hatte, auf Junis zu. Es war einer der Leibgardisten, im Gegensatz zu den übrigen Dschinnen in Rüstzeug gehüllt und mit einem Schwert bewaffnet, das doppelt so lang war wie Junis’ eigenes.
Das Mädchen sackte auf die Knie, als hätten es im selben Augenblick all seine Kräfte verlassen.
Junis konnte nicht länger auf sie achten. Die heilende Macht, die Jibril auf ihn übertragen hatte, erfüllte ihn bis zum Bersten. Sie brodelte durch seine Glieder, die Arme hinab in beide Hände. In das Schwert, das sie hielten.
Er wehrte den Hieb des Dschinns ab, als
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