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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und dem Mädchen entscheiden, und zu seiner eigenen Überraschung fiel es ihm nicht leicht.
    Und Jibril? Der Junge bedeutete ihm nichts. Junis teilte die Vorbehalte des Mädchens, verstand jeden ihrer Vorwürfe. Aber stand es ihm zu, Maryams letzten Willen in Frage zu stellen?
    Er erreichte den Fuß der Rampe, eng an die Wand gepresst, halb verborgen an der Grenze zwischen Schatten und zuckendem Feuerschein. Noch einmal zögerte er.
    Maryam hatte den Tod der Sklaven hingenommen – das war ein verhängnisvoller Fehler gewesen. Hatte sie sich erneut geirrt, als sie Jibrils Befreiung gefordert hatte? Konnte er, wollte er seine Verantwortung außen vor lassen? Nur gehorchen, ohne seine eigenen Überzeugungen zu hinterfragen?
    Widerwillig blickte er zurück. Das Feuer befand sich jetzt zwischen ihm und dem Abstieg in die tieferen Stockwerke. Er kniff die Augen zusammen, um dort drüben etwas zu erkennen. Zwischen lodernden Flammenzungen sah er diffus die Kante, hinter der sie Deckung gesucht hatten.
    Das Mädchen war fort.
    Er schaute sich in der Halle um. Sie war ihm nicht gefolgt, in dem riesigen leeren Raum hätte er sie nicht übersehen können. Es gab ein paar Risse und Einbuchtungen im morschen Mauerwerk, in denen sie sich hätte verbergen können, aber daran glaubte er nicht. Sie musste zurück nach unten gelaufen sein.
    In den Wänden klafften Risse, an einer Stelle öffnete sich ein schmaler Torbogen zur Außenseite der Zikkurat. Fackeln wanderten dort draußen als Lichtflecken durch die Nacht, Dschinnwächter auf Patrouille. Keiner blickte ins Innere, sonst hätten sie ihn schon bemerkt. Womöglich verließen sie sich auf ihre Witterung, hielten nur Ausschau nach Angreifern aus der Luft. Wahrscheinlich gingen sie davon aus, dass der einzelne Teppichreiter, der es durch den Hinterhalt der Sandfalter geschafft hatte, den Besessenen zum Opfer gefallen war.
    Widerwillig löste er sich vom Anblick der verlassenen Halle und bewegte sich vorsichtig die Rampe hinauf. Auf dem Weg nach oben schlug sie einen weiten Bogen. Ehe das Ende in der Decke verschwand, hatte er fast ein Viertel des Saals umrundet.
    Auch hier gab es Spalten, in die er sich notfalls hätte zurückziehen können. Aber er wollte keine weitere Zeit verschwenden, indem er von einem Versteck zum nächsten schlich. Stattdessen huschte er geduckt, das Schwert fest in der Hand, die Rampe hinauf, eng an der Mauer, den Blick nach oben gerichtet. Bevor er den Boden der nächsten Ebene auf Augenhöhe hatte, wechselte er zur Innenseite der Rampe und blieb hinter der Kante in Deckung.
    Die Flammen der Feuergrube leckten durch die Öffnung in das obere Stockwerk. Selbst hier loderte das Feuer noch mannshoch, genau im Zentrum des Raumes. Darüber hing in einem Geschirr aus Ketten eine schmale, blasshäutige Gestalt.
    Schon bevor sie Jibril dem Feuer ausgesetzt hatten, hatte er kein Haar am Körper gehabt. Der Junge war kahlköpfig, besaß keine Augenbrauen, keine Schambehaarung. Wie er dort hing, von den Flammen umtanzt, wirkte er derart fremdartig, dass es Junis schien, als hätte das Feuer eine unsichtbare Maske fortgebrannt. Jibrils Kleidung war zu Aschestreifen verkohlt, die sich wie dunkle Bemalungen über seine Haut zogen. Sein Körper aber war vollkommen unversehrt. Die Flammen und die Hitze konnten ihm nichts anhaben.
    Das Geschirr wurde von vier Ketten gehalten, die schräg hinauf zur Hallendecke führten. Dort oben, auf halbem Weg zwischen dem Feuer und den runden Wänden, schwebten vier Dschinne und hielten die Ketten straff gespannt. Es sah aus wie eine Umkehrung jener Aufhängungen, in denen sonst die Kettenmagier festgehalten wurden. Die Blicke aller vier Dschinnkrieger waren ins Innere der Halle gerichtet, zum Feuer und dem schmächtigen Gefangenen, der leblos über den Flammen baumelte.
    Die beiden Dschinnfürsten Karybtis und Lytratis trieben auf ihren fliegenden Knochenthronen mehrere Meter über dem Boden, bizarren Sitzen aus Gebeinen, Ketten und Eisenringen, ummantelt mit Streifen aus Menschenhaut. Die hohen Rückenlehnen überragten die beiden purpurnen Gestalten fast um das Doppelte. Die gebleichten Knochen waren auf makabere Weise kunstvoll miteinander verwoben, eine symmetrische Konstruktion, aus der halbierte Rippenkäfige und Schulterblätter wie groteske Geweihe und Kronen stachen. Nicht alle Skelette, die man einst zu diesen Thronen verarbeitet hatte, waren menschlich gewesen, die wenigsten tierisch. Vielmehr waren da noch andere Gebeine,

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