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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dieselbe Weise binden konnten wie Jibril. Ihm blieben nur noch Sekunden, schätzte er, um einen von ihnen zu erwischen.
    Hinter dem verfallenen Torbogen, der ins Freie führte, erschienen mehrere Dschinnwächter, gerüstete Leibgardisten wie der Tote, alarmiert vom Lärm und Geschrei im Inneren des Turms. Schon drängten die Ersten herein und rasten auf Junis zu.
    Der aber erreichte einen Moment vorher den ersten der schwebenden Knochenthrone. Der Fürst darauf war zu tief in seine Konzentration versunken, um schnell genug zu reagieren. Benommen versuchte er, höher aufzusteigen, außer Reichweite des Menschen.
    Junis sprang unter den Thron und rammte das lange Dschinnschwert gerade nach oben. Die Klinge brach durch das Knochengeäst, traf auf einen weicheren Widerstand, glitt höher hinauf in Fleisch und Eingeweide. Junis spießte den Fürsten von unten auf, packte statt des Griffs beide Enden der Parierstange und stieß die Waffe mit aller Kraft noch ein Stück höher hinauf. Blut sprühte auf ihn herab, ein feiner roter Regen, der ihn von oben bis unten besudelte.
    Sechs Dschinnkrieger schossen durch die Halle auf ihn zu, passierten das zusammengesunkene Mädchen, holten mit Streitkolben, Sicheläxten und Schwertern aus. Flammenschein brach sich auf Stahl, wurde an die staubigen, schartigen Wände geworfen, flackerte durch den Raum wie ein Reigen feuriger Geisterschemen.
    Der Dschinnfürst gab keinen Laut von sich. Sein Unterkiefer sank nach unten, entblößte das scheußliche Raubtiergebiss. Zahlreiche Zähne fehlten, der Rest war alt und faulig wie sein ganzer Körper. Kein Wunder, dass Amaryllis sich einen neuen Leib aus Menschenteilen geschaffen hatte: Die Fürsten waren ausgezehrt und verbraucht. Mochten auch ihr Hass und ihre Entschlossenheit lodern wie am Tag ihrer Geburt aus der Wilden Magie, so waren ihre Körper doch längst zu Opfern ihrer eigenen Maßlosigkeit geworden. Die Throne waren mehr als ein Symbol ihrer Macht – sie waren Stützen, ohne die sie nicht regieren, Krücken, ohne die sie nicht überleben konnten.
    Alles geschah innerhalb eines Augenblicks: Junis’ Erkenntnis der wahren Schwäche dieser Wesen; der Ansturm der Leibgarde; der Tod des aufgespießten Dschinnfürsten; und schließlich das Scheitern der vereinten Zauber, die Jibrils Körper gefangen hielten.
    Die Magie des überlebenden Dschinnfürsten reichte allein nicht aus, den Jungen weiterhin festzusetzen. Die Ketten glühten auf und zerflossen zu silbriger Schlacke. Zischend trafen die Tropfen auf den Boden, während sich das flüssige Eisen in die Klauen der Wächter brannte. Alle vier stießen gequälte Schreie aus. Ihre Formation unter der Decke zerbrach, als sie unter irrem Geschrei davontrudelten, gegen Mauern stießen und auf ihre verstümmelten Hände starrten, von denen sich die Purpurhaut in Ascheschuppen schälte.
    Junis zerrte das Schwert aus der Unterseite des Throns, als ihn die beiden vorderen Dschinnkrieger erreichten.
    Das Mädchen hob den Kopf, die Schattenaugen weit aufgerissen.
    Und Jibril flammte auf, ein gleißender weißer Stern, der sich schlagartig ausdehnte, Lichtspitzen wie Schwertklingen in alle Richtungen schleuderte und mit einer Welle aus purer Macht Dschinne und Menschen gleichermaßen davonfegte.
    Die fremde Präsenz in Junis’ Innerem schwand im selben Augenblick, als Jibril seine Ketten abwarf. Die Fürsten hatten seinen Körper in Ketten gelegt und mit ihm einen Teil seiner Zaubermacht, aber sie hatten nicht verhindern können, dass der Junge einen Hauch davon auf Junis projizierte. Und ebendieser fremde Funke, der in Junis gebrannt und seine Wunden geheilt hatte, kehrte nun zurück zu seinem wahren Meister, entflammte den Rest seiner Kräfte von Neuem und schuf etwas, das Junis zuletzt über den Gipfeln der Zagrosberge gesehen hatte: jenes gleißende, glühende Inferno, das wie ein Krake aus Licht unter den Dschinnen gewütet und die Kettenmagier vernichtet hatte.
    Aus dem blendenden Stern unter der Hallendecke wurde etwas anderes, reine weiße Helligkeit, aber von Leben erfüllt, wirbelnd wie eine Unterwasserpflanze in wilden Strömungen. Glühende Tentakel streiften die Dschinnkrieger der Leibwache, sie zerfielen zu Asche. Der Knochenthron des überlebenden Dschinnfürsten zerbarst in einer Explosion aus sprödem, staubigem Gebein, Eisensplittern und noch etwas anderem, schwarz und organisch, das wie ein Herz im Inneren des Throns pulsiert und die Kreatur darauf am Leben erhalten

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