Sturms Flug
bin ich dann umgekippt und in einem Buschkrankenhaus wieder zu mir gekommen. Das war ein Abenteuer, sag ich dir. Als ich gestern wieder nach Hause kam, habe ich gleich für heute früh einen Termin in der Uniklinik gemacht. Dort wurde ich auf Malaria untersucht und auf alle möglichen Tropenkrankheiten.«
Er runzelte sorgenvoll die Stirn. Der Brief mit dem Kopf der Uniklinik fiel ihm ein. Wie lautete noch gleich der Begriff, der ihm aufgefallen war? RT-PCR -Test . Das musste die Fachbezeichnung für eine Malariauntersuchung sein. »Und?«, fragte er gespannt.
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bei der Untersuchung wurden keine Tropenkrankheiten festgestellt. Natürlich nicht. Weder Malaria noch Gelbfieber noch sonst etwas Unerfreuliches in der Art. Andernfalls läge ich jetzt im Krankenhaus unter Quarantäne. Der Grund für Durchfall und Übelkeit war folglich nichts anderes als ein profaner Margen-Darm-Virus. Doch jetzt bin ich wieder die Alte und esse mehr denn je, und wenn ich so weitermache, passt mir demnächst keine Hose mehr. Selbst schuld, warum muss ich auch mitten im Winter Vanilleeis verdrücken, bis ich platze?«
Sie wechselte abrupt das Thema und erkundigte sich nach dem Paket, das sie in Südafrika für ihn aufgegeben hatte.
»Ist angekommen«, gab er Auskunft. »Wie ich Ihnen bereits am Telefon erzählte, haben Sie dadurch Rigobert Stein ins Gefängnis geschickt, denn der Handel mit verseuchtem Blut konnte ihm einwandfrei nachgewiesen werden. Ausgerechnet Stein, wer hätte das gedacht? Der Kerl ist ein moderner Samariter. Ein Wohltäter. Oder schien einer zu sein. Auf den Cocktailpartys meines Onkels war er ein gern gesehener Gast.« Er wischte den Gedanken beiseite, dann strahlte er. Sein Tonfall verriet Hochachtung. »Eisenschädel Kunze sagt, die Beweise, die Sie gesammelt haben, sind …«, er überlegte, um sich den genauen Wortlaut ins Gedächtnis zu rufen, »… ein Musterbeispiel für perfekte Ermittlungsarbeit. Lückenlos, detailliert, wasserdicht. In den Augen des Eisenschädels gehören Sie zur Riege der besten Ermittler des gesamten Präsidiums.«
Das war ein schönes Lob für eine suspendierte Polizistin, deren journalistische Betätigung keinesfalls ihr wirklicher Beruf war, sondern lediglich einen Zeitvertreib darstellte.
Der Mann, der sie suspendiert hatte, war Lohmanns Onkel, der gelegentlich mit Oberstaatsanwalt Kunze Golf spielte. Er bekleidete das Amt des Polizeipräsidenten und war somit ihr höchster Vorgesetzter. Doch leider teilte er nicht die Bewunderung des brummigen Eisenschädels für ihre Person. Im Gegenteil, er hielt sie für gefährlich. In seinen Augen war sie »eine Anarchistin mit Kriminalmarke, die nur dazu taugt, mit ihren Wildwest-Methoden das Präsidium in Verruf zu bringen«.
Was ihm besonders aufstieß, waren ihr freches Mundwerk, ihr Hang zum Widerspruch sowie ihre eklatante Art, sich über Vorschriften hinwegzusetzen, beispielsweise indem sie trotz mehrfachen Verbotes nicht davon ablassen wollte, ihr grässliches Motorrad für Dienstfahrten zu nutzen. Ach ja, und dann gab es da noch ihren Bruder, der eine ganz große Nummer in der Unterwelt war. Solcher Umgang ziemte sich nicht für eine Polizeibeamtin seines Präsidiums!
All dies hatte ihn nach einem Grund suchen lassen, sie zu schassen. Sein Neffe Bodo hatte ihm diesen Grund liefern sollen, und zwar durch Bespitzelung der ungeliebten Beamtin in der Hoffnung, sie in flagranti bei einer ganz besonders schlimmen Verfehlung zu ertappen. Damals, vor rund vier Monaten, war Bodo noch Rechtsreferendar gewesen, und einen solchen unauffällig bei der Polizei unterzubringen war nicht allzu schwer. Denn sogenannte Hospitationen waren alles andere als unüblich und dienten dazu, den angehenden Juristen Einblicke in die kriminalistische Seite des Ermittlungsverfahrens zu gewähren, indem sie der Polizei bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter sahen.
Also hatte sich Bodo Lohmann, der Geheimagent des Polizeipräsidenten, im Kriminalkommissariat 21 ( KK 21) wiedergefunden, wo er, welch Zufall, Frau Sturm zugeteilt worden war. Zunächst hatte ihm sein Auftrag eine wohlige Gänsehaut beschert, da er sich vorgekommen war wie ein kleiner 007. Nach all dem, was ihm sein Onkel im Vorfeld über die aufsässige Beamtin erzählt hatte, war er davon überzeugt gewesen, ein gutes Werk zu tun, wenn er dabei half, sie aus dem Polizeidienst zu entfernen.
Doch dann war alles anders gekommen, sie hatte ihn mächtig
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