Sturms Flug
Puntland ihm aufgetragen hatte. Es war eine Forderung, und sie klang recht simpel. Dennoch würden die Behörden sie unter keinen Umständen erfüllen, davon war Würfel überzeugt.
Der entmachtete Flugkapitän fuhr fort: »An Bord befinden sich einhundertvierundachtzig Passagiere sowie meine Crew und ich.« Seine Stimme drohte zu versagen, und es lag auf der Hand, dass er unter erheblichem Druck stand. »Kapitän Puntland lässt Sie wissen, dass Sie sich nicht allzu viel Zeit lassen sollten, seine Forderungen zu erfüllen. Andernfalls wird er anfangen, wahllos Passagiere zu erschießen, und zwar alle fünf Minuten einen. South African Wings 714 Ende.«
Würfel schaute auf die Uhr. Zwanzig Minuten nach neun. Die Zeit lief, doch man würde nicht auf Puntlands Forderung eingehen, davon war er überzeugt.
Niemals!
Kapitel 16
Abermals machte Asad einen Vorstoß und versuchte, Mara mit der Machete zu erreichen. Diesmal kam er ihr noch näher, und sie spürte den Luftzug auf der Wange, während sie den Oberkörper weit zurücklehnte. Das war riskant, da es direkt hinter ihr in die Tiefe ging.
Andererseits verdankte sie es nur dem Abgrund, dass ihr bisher nichts Schlimmes geschehen war, denn Asad litt offensichtlich unter ausgeprägter Höhenangst. Jedes Mal, wenn er eine neue Attacke führte, geriet diese ins Stocken, sobald er sich dem Klippenrand bis auf zwei, drei Schritte näherte. Doch ewig konnte ihn das nicht aufhalten, da ihm schon bald etwas anderes einfallen würde.
Derweil gelang es dem falschen General, Karpinski zu überwältigen. Erst rammte er ihm die Faust in die Magengrube und danach, als der Kameramann nach Luft ringend zusammenklappte, das Knie ins Gesicht. Karpinski schrie voller Pein, während die Kamera auf die Terrakottafliesen schlug.
Zöllner stand seinem Kollegen so gut er konnte bei, indem er sich vor Rashid aufbaute, um weitere Angriffe zu verhindern. Dabei appellierte er ununterbrochen: »Bewahren Sie Ruhe! Ich flehe Sie an, so bewahren Sie doch Ruhe!«
Bodo kläffte wie von Sinnen, Rashid ließ von Karpinski ab, um mit seinen lächerlichen Sandalen auf der Kamera herumzustampfen, geräuschvoll brach das Kunststoffgehäuse auseinander, wieder sauste die Machete heran, wieder musste sich Mara gefährlich weit über die Mauer lehnen, Bodo hörte nicht auf zu bellen, Zöllner rief irgendetwas, Karpinski tastete nach seiner blutenden Nase, Asad wütete.
Da fiel ein Schuss und nur einen Herzschlag später ein zweiter, dann ein dritter, ein vierter, ein fünfter, ein sechster.
Das Chaos fror ein, Stille legte sich über die Szenerie. Rashid hatte sich auf die Pistole besonnen, die in dem Holster an seinem Gürtel hing. Dieser Einfall kam spät, aber das Resultat war überwältigend. Er hatte in die Luft geschossen, herumgeballert wie ein Verrückter und wie es in seinen Kreisen üblich war, wenn man nach Aufmerksamkeit verlangte. Nun wanderte die Mündung aus der Vertikalen in die Horizontale, um schließlich genau auf Höhe von Maras Kopf zu verharren.
Ein widerliches Gefühl. Resigniert schloss sie die Augen und begann in Gedanken die Sekunden zu zählen. Ihre letzten Sekunden.
Sie dachte an ihren Bruder, diesen Schuft. Dann hörte sie Schritte, verursacht von Dutzenden nackter Füße in Sandalen. Das waren vermutlich die Backgammon-Spieler, die das Spektakel gehört hatten und nachsehen wollten, was vor sich ging. Sie kamen rasch näher.
Mara spürte, wie Bodo seinen Körper gegen ihre Beine drückte. Er bellte nicht mehr, sondern winselte leise. Sein Instinkt schien ihm zu sagen, dass der Kampf verloren war. Der arme Kerl mit den zerschossenen Knien kam ihr in den Sinn, dieser angebliche Verräter, den man am Wegesrand zur Schau gestellt hatte. Ob er schon tot war? Wenn nicht, konnte man ihn nur bedauern. Sie hatte Angst, dass ihr das gleiche Schicksal bevorstand. Nicht, wenn ich mich weit genug nach hinten lehne , dachte sie. Doch dann sorgte ein innerer Zwang dafür, dass sie nichts weiter tat, als die Augen zu öffnen.
Vor sich sah sie ein Dutzend grinsender Fratzen und doppelt so viele Zahnreihen. Schließlich begann jemand lauthals zu lachen, und die ganze Bande stimmte mit ein.
Selbst Rashid und Asad lachten. Und auch Yussuf, der mit den Spielern zurückgekommen sein musste. Alle waren endlos amüsiert, alle starrten sie an.
Früher, als sie noch ein pubertierender Teenager gewesen war, hatte sie sich oft gefragt, was es für ein Gefühl sein mochte, im Schwimmbad
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