Sturms Flug
für möglich, weshalb die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht worden waren. Angeblich sollte Omar an einem der nächsten Tage sogar in eine andere Anstalt verlegt werden.
Wie auch immer, Strasser hatte den Fitnessraum nur deshalb aufgesucht, weil er sich das Bürschlein aus Afrika selbst ansehen wollte, um das in letzter Zeit so viel Wirbel veranstaltet wurde. Wie es hieß, war Omar ständig auf Krawall aus, und sogar die Wärter hatten Schiss vor ihm. Umso erstaunlicher war es, dass man ihm die Teilnahme an der Sportstunde noch nicht gestrichen hatte, was eine folgerichtige Disziplinarmaßnahme gewesen wäre.
Strasser nahm an, dass irgendein Gefängnispfaffe oder Psychologe – in der Häftlingssprache Himmelskomiker und Dachdecker genannt – der Ansicht war, Omar am besten mit der Gnade-vor-Recht-Taktik ruhigstellen zu können, in der Hoffnung, dass er vor lauter Dankbarkeit bereits ein schlechtes Gewissen bekam, wenn er nur laut furzte. Weichgespülte Sülze!
»Omar will nicht, dass du die Isomatte benutzt«, hörte er in diesem Moment einen Laufburschen Aidids sagen, einen Marokkaner oder Algerier, jedenfalls einen verdammten Araber, der vor ihm stand und dämlich grinste. Wenn er sich nicht verhört hatte, wurde der Typ von den anderen Tarik gerufen.
Omar und ein zweiter Marok hockten derweil am anderen Ende des Fitnessraums auf einer Hantelbank. Sie beobachteten Strasser, während sich vier oder fünf andere bereits um ihn herum verteilt hatten. Einer versperrte den Ausgang, zwei befanden sich in seinem Rücken, der Rest lungerte und lauerte im Hintergrund.
Vor wenigen Augenblicken hatte er sich eine Isomatte zurechtgerückt, als Unterlage für seine Bauchaufzüge, doch dann war Tarik gekommen und hatte seinen Omar-will-nicht-dass-du-Spruch heruntergeleiert, den gleichen, den jeder Neuling zu hören bekommen hätte, der dämlich genug war, sich ohne den Schutz einer mächtigen Bande in feindlich kontrolliertes Areal zu begeben. Die einzige Möglichkeit, keine Tracht Prügel zu kassieren, bestand dann darin, den Schwanz einzuklemmen und Danke zu sagen. Danke, lieber Omar, dass ich den Boden küssen darf, auf dem du gewandelt bist.
Und da Strasser die Regeln kannte, hatte er sie befolgt, als Tarik ihn zuvor auf die gleiche Tour von der Hantelbank vertrieben hatte und danach von den Kurzhanteln. Beide Male hatte er wortlos das Feld geräumt. Doch inzwischen ging ihm das mächtig auf den Sack! Schluss damit!
Er funkelte den Marokkaner streitlustig an. »Warum sagst du deinem Herrchen nicht einfach, dass er mich kreuzweise kann.« Er sprach laut, viel lauter, als nötig gewesen wäre, und unterstrich seine Worte mit einer anstößigen Geste.
Die letzten deutschen Häftlinge im Raum nahmen Reißaus, genauso wie die Polskis und Iwans und Albaner, da sie sich vorstellen konnten, was kommen würde, und keine Lust hatten, in etwas hineingezogen zu werden, das sie nichts anging. Wahrscheinlich würden sie draußen dafür sorgen, dass kein Schließer seine Nase in den Fitnessraum steckte, denn sollte zufällig einer vorbeischauen, würde es so aussehen, als hätten sie ihn gerufen. Das wiederum hätte sie als verräterische Ratten abgestempelt.
»Bleibt doch, bleibt doch!«, rief er den Flüchtenden hinterher. »Gleich gibt’s was zu sehen.«
Jäh stampfte er mit dem Fuß auf den Boden, stieß einen Laut aus, der sich wie das Bellen eines Hundes anhörte, und machte einen Schritt auf Tarik zu.
Dieser taumelte erschrocken zurück, was Omar und den zweiten Marok veranlasste, sich blitzartig von der Hantelbank zu erheben. Der Rest der Bande kam langsam auf Strasser zu.
Er wusste, dass es kein Zurück mehr gab, und er wusste ebenfalls, dass er keine Chance hatte, die ganze verlauste Sippe auszuschalten. Auch wenn sie nichts weiter waren als rotznasige Dachpappen und Maroks und Döner, die kaum halb so alt waren wie er. Früher, zu Zeiten von Dummse Tünn und Schäfers Nas , waren die Knäste noch in deutscher Hand gewesen. Damals hatten die jüngeren Häftlinge Respekt vor den Alten gehabt. Doch das war längst Geschichte.
Der Ring um ihn herum zog sich enger, seine Gegner bewaffneten sich mit Kurzhantelstangen, keiner sprach ein Wort.
Strasser versuchte, sich in Richtung Wand zurückzuziehen, doch der Weg war bereits versperrt.
Er fixierte Omar, dieses magere Männlein mit dem lächerlich hohen Haaransatz, dem es in bemerkenswert kurzer Zeit gelungen war, sich zum Herrscher aufzuschwingen. Dass er das
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