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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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fragst mich nach deinem Anteil? Das ist dein Anteil! Reicht dir das?«
    Der letzte Satz hallte über den Hof.
    Strasser wich noch einen Schritt zurück, nervös tupfte er sich mit einem Taschentuch Smertins Geifer aus dem Gesicht.
    Er sieht aus wie ein Putzlappen, dachte der Russe, und was auch immer es gewesen sein mochte, das ihn vorhin so hochnäsig gemacht hat, es ist zu nichts verpufft.
    Als Smertin sich zur Genüge in seiner Genialität gesuhlt hatte, fuhr er in normalem Tonfall fort. »Und noch etwas möchte ich dich wissen lassen. Es betrifft deine Schwester. Tamara.«
    Die pockennarbigen Wangen zuckten, so hart biss Strasser die Zähne zusammen.
    »Wir wissen beide«, sagte Smertin, »dass sie nicht im Supermarkt arbeitet, sondern bei der verdammten Miliz ist. Pah, Weiber bei der Miliz. Ist das nicht zum Totlachen?«
    Stalin pflichtete ihm bei.
    »Was ist mit meiner Schwester, Smertin? Wenn du ihr ein Haar gekrümmt hast, bringe ich dich um!«
    »So? Ich bin gespannt, wie du das anstellen willst. Du hättest nicht allein herkommen sollen. Aber keine Angst, ich habe deine Dattelpalme nicht angerührt.« Er machte eine Pause. »Das hat Gigolo für mich erledigt.«
    Strassers Bestürzung verwandelte sich schlagartig in Zorn. Blitzschnell, mit der Behändigkeit des ehemaligen Boxers, überwand er die paar Schritte, die ihn von Smertin trennten, und packte den Russen mit der linken Hand am Kragen. Die Rechte hob er und ließ sie schlagbereit in der Luft verharren.
    Der einäugige Doktor Stalin machte Anstalten, eine Waffe zu zücken, doch Smertin hielt ihn zurück.
    »Was ist mit meiner Schwester?«, brüllte Strasser.
    Smertin hatte Schwierigkeiten, sich zu artikulieren, da ihm der Kragen mächtig eng wurde. Dennoch grinste er. »Gigolo hat der Schlampe den Hals umgedreht, wenn ich richtig informiert bin. Sie war gestern Nacht bei ihm, in seiner Wohnung. Erst hat er es mit ihr getrieben, dann hat er sie erledigt. So lautete sein Auftrag, und den hat er ausgeführt. Ich habe ihn heute Morgen danach gefragt …«
    Der rechte Dampfhammer krachte in Smertins Gesicht, mitten hinein, fegte ihm die Sonnenbrille von der Nase, ließ die Unterlippe platzen und den Kiefer knacken. Strasser wollte ein zweites Mal zuschlagen, doch Stalin ging dazwischen, indem er ihm die Mündung einer Pistole in den Leib rammte. Der Exboxer zog sich auf flinken Beinen zurück.
    Smertin schwankte, kippte jedoch nicht um. Er war hart im Nehmen, ein zäher Hund, der Strasser in nichts nachstand. Bedächtig, mit zusammengekniffenen Augen, bückte er sich nach seiner Sonnenbrille, tastete auf dem Asphalt herum wie ein blindes Huhn, bis er sie gefunden hatte. Sorgfältig setzte er sie wieder auf. Dann öffnete er den Mund, fummelte mit den Fingern darin herum – und hielt einen ausgeschlagenen Zahn in die Höhe.
    »Ich werde ihn mit einem Brillanten verzieren lassen und ihn an einer Kette um den Hals tragen. Als Erinnerung an dich, Pidaras .« Er ließ das zukünftige Schmuckstück in der Tasche seines Sakkos verschwinden.
    Dann klatschte er dreimal in die Hände! – Das vereinbarte Zeichen für die Scharfschützen.
    Nichts geschah.
    Er wiederholte das Klatschen.
    Immer noch nichts.
    Plötzlich erschien ein roter Punkt auf seiner Stirn, der kaum größer war als eine Ein-Cent-Münze, wenn überhaupt. Sogleich wanderte er durch das Gesicht des Russen, an seinem Hals hinab, tanzte auf seiner Brust herum und verharrte schließlich genau an der Stelle, an der das Herz saß. Auch Doktor Stalin wurde von einem ähnlichen Lichtreflex heimgesucht. Die beiden Männer starrten einander an und beobachteten die Erscheinung bei dem jeweils anderen. Stalin ließ seine Pistole fallen, Metall polterte auf dem Asphalt.
    Gleichzeitig zeigten sich mehrere Gestalten auf dem gegenüberliegenden Dach, genau an der Stelle, an der vorhin Smertins Scharfschützen erschienen waren. Diese neuen Gestalten waren ebenfalls Scharfschützen, unverkennbar, aber sie trugen die typische Montur einer Spezialeinheit der Polizei.
    Strasser lupfte sein T-Shirt an, und zum Vorschein kam ein ganzes Gewirr hauchdünner Kabel und filigraner Elektronik, die mit Pflaster an seiner Haut befestigt waren.
    »Haben Sie alles?«, fragte Jo Strasser laut und deutlich.
    Seine Stimme ging unter im Lärm eines Hubschraubers, der wie aus dem Nichts auftauchte und über dem alten Schlachthof schwebte. Fast gleichzeitig rauschten drei gepanzerte Limousinen heran, die mit quietschenden Reifen hielten.

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