Sturms Jagd
leeren und auszuwaschen. Unangenehme Gerüche waren ihr zuwider. Ach ja, und die Duschkabine trocknete sie konsequent nach jeder Benutzung mit einem Handtuch ab. Doch damit war ihr Ehrgeiz zur Ordnung erschöpft, alles andere war Chaos. Eine Schande, ging es ihr beim Anblick des Trümmerfeldes durch den Kopf, denn ihr Penthouse war ein Traum. Vorausgesetzt, es war aufgeräumt.
So, wie sie sich vorgenommen hatte, mit dem Rauchen aufzuhören, beschloss sie in diesem Augenblick, in Zukunft mehr Ordnung zu halten. Musste doch möglich sein, mit etwas Disziplin.
Sie erreichte den Flur und ging neben ihrer auf dem Boden liegenden Lederjacke in die Knie. In der Innentasche fand sie ihr Mobiltelefon.
»Na warte, Terrorist, dir werd ich was erzählen!«
Anne ruft an , stand im Display.
Mara stutzte. Dahinter verbarg sich Anne von Kalck, die Chefredakteurin des Kuriers . Als die Presse Mara im Zuge des Skandals um die verschwundene Akte auseinandergenommen hatte, war der Kurier das einzige lokale Blatt gewesen, das durch zurückhaltende, nachdenkliche Töne aufgefallen war und den schmierigen Sensationsjournalismus der anderen Zeitungen verurteilt hatte. Schließlich war die Redaktion des Kuriers sogar dazu übergegangen, offen für Mara Partei zu ergreifen. Nach dem Ende der Affäre hatte sie deshalb bei der Redaktion angerufen, um sich für die objektive Berichterstattung zu bedanken. Bei dieser Gelegenheit hatte sie Anne von Kalck kennengelernt, die Chefredakteurin, und aus einer spontanen Verabredung zum Kaffeetrinken war eine Freundschaft geworden.
Anne von Kalck war eine solvente Dame Anfang fünfzig mit besten Umgangsformen. Wenn sie um diese Uhrzeit anrief, musste es dafür einen triftigen Grund geben.
Mara nahm das Gespräch an. »Anne?«, fragte sie trotz der Anzeige im Display.
»Ja … ähm … hier ist Anne. Hallo, Mara. Bitte entschuldige die Störung zu nachtschlafender Stunde.« Verhaltenes Räuspern. »Wenn es dir ungelegen ist, kann ich gern morgen wieder anrufen und …«
»Unsinn«, unterbrach Mara.
Ihr Misstrauen und ihre Neugier waren geweckt. Zuerst veranstaltete Anne diesen Telefonterror, und dann fiel ihr plötzlich ein, dass die Sache bis zum nächsten Morgen Zeit hatte? Nie im Leben! »Ich war ohnehin noch nicht im Bett«, behauptete sie. »Du weißt doch, dass ich nachts nicht schlafen kann. Bei der Hitze haue ich mich frühestens um zwei hin.«
Während sie sprach, legte sie den Kopf schräg und klemmte das Handy zwischen Wange und Schulter fest. Dann schlenderte sie ins Wohnzimmer und öffnete die Schiebetür zur Dachterrasse. Die war riesig, und Mara hatte sie in einen Garten verwandelt, in eine wunderschöne, blühende Oase neun Stockwerke über der Stadt.
»Was gibt’s denn?«, wollte sie wissen. Nackt, wie sie war, ließ sie sich in einen Liegestuhl fallen.
»Ja, weißt du«, sagte Anne, »wahrscheinlich sehe ich nur Gespenster. Ich trau mich gar nicht, dich damit zu belästigen.«
»Raus mit der Sprache, was ist los?«
»Meine Putzfrau ist nicht gekommen.«
Mara lachte. Sie warf einen flüchtigen Blick ins Wohnzimmer. »Stell dir vor, meine auch nicht. Schon seit einer Ewigkeit nicht mehr.«
Anne blieb ernst. »Das war missverständlich ausgedrückt. Nicht gekommen war die falsche Formulierung. Sie ist verschwunden, trifft’s besser. Ja, genau, verschwunden – und zwar spurlos.«
»Wie, verschwunden?«
»Na ja, eigentlich hätte sie gestern Nachmittag bei mir sauber machen sollen. Hat sie aber nicht. Das ist komisch, weil ich sie als sehr verlässliche Person kenne. Einfach wegbleiben passt überhaupt nicht zu ihr. Falls ihr etwas dazwischengekommen wäre, hätte sie unter Garantie abgesagt und sich entschuldigt. Ich fürchte, da ist etwas … etwas Schlimmes passiert.«
»Hey«, beschwichtigte Mara, »wer wird denn gleich von einer Katastrophe ausgehen? Nur weil deine Putzfrau einmal nicht erschienen ist, muss sie sich nicht gleich das Genick gebrochen haben.« Die Worte waren etwas unglücklich gewählt, um Anne zu beruhigen, wie sich Mara eingestand, kaum dass sie den Satz beendet hatte. »Vielleicht hatte sie einfach keine Lust bei dem schönen Wetter«, fügte sie rasch hinzu.
Anne verneinte. »Glaube ich nicht, Unzuverlässigkeit passt nicht zu ihr. Außerdem habe ich sie heute angerufen, vielleicht ist sie ja krank, habe ich mir gedacht. Doch sie geht weder ans Festnetz-Telefon noch ans Handy, ich habe es den ganzen Tag versucht. Allmählich mache ich mir Sorgen
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