Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
als Düsternis, bodenlose, undurchdringliche Schwärze. Das reichte, um ihre benebelten Sinne vollends in Ordnung zu bringen. Plötzlich wusste sie wieder, wo sie war und wer sie hierhergebracht hatte. Die Erkenntnis schnürte ihr die Kehle zu.
    Die Kaffeemühle, die sie im Traum gehört hatte, war in Wirklichkeit keine Kaffee-, sondern höchstwahrscheinlich eine Knochenmühle, wie sie zum Inventar einer jeden Großmetzgerei gehörte. Anscheinend arbeitete diese Mühle gerade auf Hochtouren, um Rindergerippe und Schlachtabfälle zu Gelatine zu zermalmen. Das Knacken, das den Mahlvorgang begleitete, war selbst durch die Wände des Containers zu hören, in den man sie gesperrt hatte und der sich in einem Anbau des Schlachthauses befand, der als Lager genutzt wurde.
    Wie viel Zeit mochte vergangen sein, seit man sie durch einen Hintereingang der Metzgerei in ihr Verlies gezerrt hatte? Zehn, zwölf Stunden? Wahrscheinlich mehr. Vielleicht ein voller Tag? Vielleicht eine Woche? Vielleicht eine Ewigkeit? Laura hatte keine Ahnung. Sie schaute auf die Uhr, konnte das Zifferblatt jedoch nicht erkennen, selbst als sie es so nahe vor die Augen hielt, dass sie es mit der Nasenspitze berührte. Kein Lichtschimmer fiel in diesen verdammten Container.
    In den Container?
    Ja, man hatte sie tatsächlich in einen Frachtcontainer gesperrt, in einen Behälter mit stählernen Wänden, aus dem es kein Entrinnen gab. Ihr Gefängnis war 41 Schritte lang und 15 Schritte breit. Das hatte sie im Dunklen erkundet. Die Decke konnte sie mit ausgestreckten Armen nicht erreichen, auch nicht, wenn sie in die Höhe sprang.
    Doch nach Springen war ihr ohnehin nicht zumute, so elend, wie sie sich fühlte.
    Durst. Kopfweh. Übelkeit. Noch mehr Durst.
    Nach dem Feuer fühlte sich ihr Rachen rau an, ausgedörrt, als hätte sie ein halbes Kilo Mehl gegessen, ohne einen Schluck zu trinken. Ihre Lippen waren aufgesprungen. Seit die Containertüren hinter ihr zugefallen waren, hatte sich niemand mehr um sie gekümmert, sie war allein. Folglich hatte sie seitdem weder gegessen, noch getrunken. Außerdem gab es keine Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen, weshalb sie sich irgendwann, vor vielen hundert Jahren, als der Druck auf die Blase unerträglich geworden war, in einer Ecke erleichtert hatte. Wie ein kleines Hündchen hatte sie sich hingehockt und auf den Boden gepinkelt. Das hatte übel gestunken, und sie dachte mit Schrecken daran, dass auch ihr Darm irgendwann nach seinem Recht verlangen würde. Allein die Vorstellung trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht, obwohl sie sich sogleich einredete, dass Scham vollkommen unangebracht war angesichts der Umstände, für die sie am allerwenigsten konnte. Trotzdem ging ihr die Horrorvision nicht aus dem Sinn, wie Pjotr und Kippe reagieren würden, wenn sie entdeckten, dass die Gefangene ihre Notdurft …
    »Schluss damit! Ich muss den Akku finden!«
    Ohne dass sie sich dessen bewusst war, begannen ihre Hände, den Metallboden abzutasten. Dieser war von Rillen durchzogen, die in ihr die Vorstellung von Wellblech weckten. In den Rillen befand sich allerlei Unrat; stinkender, schmutziger Müll, vermutlich Reste von dem Zeug, das einmal in dem Container transportiert worden war, was immer das auch gewesen sein mochte.
    Irgendwo zwischen dem ganzen Mist musste der Akku liegen. Wenn sie ihn fand, war sie gerettet! Also weiter.
    Stundenlang war sie schon auf Knien herumgerutscht. Bisher vergeblich, denn das Ganze glich der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. 41 mal 15 Schritte waren mindestens 20,5 mal 7,5 Meter. Das wiederum bedeutete, dass ihr Gefängnis eine Grundfläche von fast 155 Quadratmetern hatte, die es in totaler Dunkelheit abzusuchen galt. Ihre Wohnung, überlegte sie, hatte eine Fläche von 57 Quadratmetern, und wenn Vincent dort etwas versteckte, war es für immer verschwunden.
    Sie verharrte, um die erneut aufwallende Übelkeit niederzuringen. Nach Luft japsend, stellte sie zum tausendsten Mal dieselben Grübeleien an. Warum hatte man sie verschleppt? Und weshalb kümmerte sich niemand um sie? Diese Entführung ergab absolut keinen Sinn. Bisher hatte man sie nicht angerührt, sexuelle Übergriffe waren ausgeblieben. Doch wenn dieser Albtraum nichts mit Sex zu tun hatte, womit dann? Um sie zu Knochenmehl zu verarbeiten? Wozu sollte das gut sein?
    Sie schluchzte, ohne Tränen zustande zu bringen. Sie war ausgetrocknet.
    Irgendwann hatte sie gegen die Wände des Containers getrommelt, bis ihr die

Weitere Kostenlose Bücher