Sturms Jagd
müde, zu beteuern, wie sehr er sich bereits darauf freue, die Herrschaften so bald wie möglich wieder begrüßen zu dürfen.
Mara wollte sich gerade abwenden und hineingehen, als sie sanft, ganz sanft, am Unterarm festgehalten wurde. In Richtung der scheidenden Allensteins lächelnd, raunte ihr der Portier zu, sie möge bitte warten. Verblüfft gehorchte sie.
Endlich war die Limousine hinter der nächsten Biegung verschwunden. Der Portier winkte den jungen Mann mit dem Poliertuch herbei. Dieser gehörte zweifellos zum Hotel und war für die Pflege der Gästefahrzeuge verantwortlich.
»Ja?«, fragte er.
»André, siehst du das Motorrad, das dort drüben steht?«
»Und ob.«
Um es zu übersehen, hätte er blind sein müssen.
Der Portier nickte. »Gut. Es gehört dieser Dame. Ihr werter Herr Bruder ist Gast in unserem Haus.« Er deutete einen Kratzfuß in ihre Richtung an. »Ich möchte, dass du dich um ihr Motorrad kümmerst. Intensivreinigung, verstanden? Und zwar so schnell wie möglich, die Dame hat wenig Zeit. Stimmt doch, oder?« Die Frage galt Mara.
Sie nickte mechanisch. Das hatte sie nicht erwartet. Mit einem verblüfften Dankeschön auf den Lippen überreichte sie André den Schlüssel. Peinlich berührt betrat sie schließlich das Hotel. Schnurrbart hielt ihr sogar die Tür auf.
Drinnen sah es noch luxuriöser aus als draußen. Die Böden der Empfangshalle waren aus Marmor, an den Wänden hingen gerahmte Bilder. Überall luden Sitzgruppen zum Verweilen ein. Die Klimaanlage machte anscheinend Überstunden, denn es war angenehm kühl. Gäste waren nirgends zu sehen.
Sie lenkte ihre Schritte in Richtung Rezeption. Der Tresen bestand aus dunklem Holz, dahinter stand ein ziemlich kleiner Mann, der schon von Weitem aussah wie die personifizierte Missbilligung. Mara wünschte ihm einen guten Tag, als sie an den Tresen trat.
Der Mann betrachtete sie mit gerümpfter Nase, wobei sein Blick der gleiche war, den sie bereits von der parfümierten Perlenpaula mit der Laufmasche geerntet hatte. Dann vertiefte er sich in irgendwelche Papiere, die er sogleich mit emsigen Fingern zu sortieren begann.
»Sie wünschen?«, erkundigte er sich, ohne den Kopf zu heben.
»Mein Name ist Sturm«, stellte sie sich vor. »Ich bin hier mit meinem Bruder verabredet, Herrn Johannes Strasser. Würden Sie mir bitte seine Zimmernummer nennen, damit ich zu ihm …«
»Strasser, sagten Sie?«, fiel er ihr ins Wort. Er hielt es immer noch nicht für nötig, sie anzusehen. Die Papiere in seinen Fingern raschelten unablässig.
Sie nickte. »Genau, Strasser. Johannes Strasser.«
»Und Sie sind seine Schwester?«
»Richtig.«
Raschel, raschel, raschel. »Hmmm … Sie brauchen Herrn Strasser nicht in seinem Zimmer aufzusuchen. Er ist nicht da.«
»Wie, nicht da?«
»Er ist weggefahren. Vor einer halben Stunde.« Er schielte sie von unten an, ohne den Kopf zu heben, und in seinen Augen flackerte es schadenfroh.
Mara konnte nicht glauben, was sie da hörte. Jo hatte sie herbestellt, um ihr etwas mitzuteilen, das er für zu brisant hielt, um es am Telefon zu besprechen. Außerdem wusste er, dass sie eine Anfahrt von rund 180 Kilometern hatte. Vor diesem Hintergrund war es undenkbar, dass er einfach spazieren fuhr, ohne sich vorher noch einmal bei ihr zu melden. Sie warf einen Blick auf ihr Handy, doch Jo hatte weder angerufen noch eine Kurzmitteilung geschickt. Da stimmte etwas nicht!
»Hat er eine Nachricht für mich hinterlassen?«, fragte sie. »Wo ist er hingefahren? Wann kommt er zurück?«
Endlich hob der Rezeptionist den Kopf. Trotz des Tresens, der zwischen ihnen stand, wurde deutlich, dass er Mara gerade bis zur Nasenwurzel reichte. An seinem Jackett mit Hotellogo war ein Schild befestigt, das ihn passenderweise als Herrn Klein auswies, seines Zeichens Receptionist de grand hôtel .
»Wir geben keine Auskunft über die Freizeitgestaltung unserer Gäste«, ereiferte sich der kleine Herr Klein. »Herr Strasser ist weggefahren. Wenn Sie auf ihn warten möchten, dann bitte ich Sie, das draußen zu tun. Ihre Garderobe ist unangemessen.« Er griff in die Tasche seines Jacketts und holte eine längliche, wertvoll anmutende Schachtel hervor. Darin befand sich ein goldener, ebenfalls wertvoller Füller. Mit diesem kritzelte er in den Papieren herum. Das Gespräch war damit offenbar beendet.
»Würden Sie bitte nachsehen, ob Herr Strasser eine Nachricht für mich hinterlassen hat?«, drängte Mara. Obwohl sie stinksauer war,
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