Sturmsegel
ging ihren Geschäften nach, Magdalena dachte nur an ihre bevorstehende Hochzeit und das Personal in der Küche sah es nicht gern, wenn sie sich dort aufhielt.
Durchs Haus zu schlendern wagte sie nicht, aus Angst, der Hausherrin unter die Augen zu kommen. Diese hatte bestimmt kein gutes Wort für sie übrig und ihr stand nicht der Sinn danach, sich Schimpfworte über ihre Mutter anzuhören.
Also hockte sich Anneke traurig vor das Fenster ihrer Kammer und schaute hinaus auf die Straße. In der Ferne konnte sie die Masten der im Hafen liegenden Schiffe erahnen und wieder dachte sie an das große Schiff, das neben der Werft schwamm und den Namen Vasa bekommen sollte.
Vielleicht sollte ich es mir mal genauer ansehen, dachte sie. Wenn ich zurück bin, habe ich etwas, das ich Marte berichten kann.
Schließlich fiel ihr ein, dass ihr Vater sie gebeten hatte, einen Brief zu schreiben, wenn sie in Stockholm angekommen war.
Doch Pergament, Federn und Tinte lagen nicht einfach so im Haus herum. Ins Kontor wagte sie sich nicht und Frieda fragen wollte sie auch nicht.
Bevor ihr eine Lösung einfallen konnte, wurde die Tür aufgerissen und Greta trat in die Kammer.
Anneke rechnete damit, dass diese sie wieder zu ihrer Tante rufen würde und konnte sich nur schwer beherrschen, nicht die Augen zu verdrehen.
»Ich habe gehört, dass du dich nützlich machen möchtest«, überraschte sie die Magd allerdings und zum ersten Mal schenkte sie ihr ein Lächeln.
Anneke nickte und hätte am liebsten gesagt, dass sie vor lauter Langeweile in dieser Kammer schon Moos und Spinnweben ansetzte.
»Dann komm mit, kannst mir beim Wäscheaufhängen helfen«, sagte Greta und wandte sich dann um, ohne eine Antwort abzuwarten.
Dankbar über die Gelegenheit, endlich etwas Nützliches tun zu können, folgte Anneke ihr auf den Wäscheplatz.
Erst jetzt bemerkte sie, dass das Haus auf einer kleinen Anhöhe stand. Von hier aus konnte sie auf die tiefer gelegenen Häuser blicken.
Als sie damit begannen, Laken über die Leinen zu hängen, die zwischen einigen Obstbäumen gespannt waren, ertönte in der Ferne das Läuten einer Schiffsglocke. Offenbar legte jetzt einer der Segler ab.
Heimweh überkam Anneke plötzlich. Wie gern wäre sie wieder zurück nach Stralsund gesegelt! Sie hoffte inständig, dass sie möglichst bald von hier wegkonnte. Das, was sie bisher von ihrer Tante und ihrer Cousine gesehen hatte, reichte ihr voll und ganz. Nicht einmal die missgünstigsten Menschen in Stralsund hatten sie so behandelt.
Während sie noch mit den Laken beschäftigt waren, bekam Frieda Bollerstrue Besuch. Eine Kutsche rollte auf den Hof und ihr entstiegen zwei Damen mit ihren Töchtern im Schlepptau.
Durch die kleine Hintertür zum Wäscheplatz beobachtete Anneke, wie sie über den Hof stolzierten. Aufgeputzt waren sie wie die Pfauen. Die älteren Damen trugen Federn im Haar, die Mädchen, die knapp älter waren als sie selbst, waren in leuchtend bunte Kleider gehüllt. So unbeschwert, wie sie schwatzen und kicherten, machten sie sich gewiss keine Sorgen darum, ob der Krieg sie demnächst erreichen würde.
»Wer sind diese Frauen?«, fragte sie Greta, während sie die Laken mit Holzklammern befestigte.
»Das sind Freundinnen der gnädigen Frau«, antwortete die Magd, ohne auch nur einen Moment von ihrer Arbeit wegzusehen. »Frau Lindström und Frau Blakkeberg. Sie besuchen sie einmal in der Woche. Ihre Töchter werden die Brautjungfern für das gnädige Fräulein sein.«
»Und wer ist Magdalenas Bräutigam?«, fragte Anneke und nahm ein weiteres Laken aus dem Korb.
»Der Sohn von Peer Hansen. Er ist ein Mitglied des Rates und der Sohn führt mittlerweile das Handelskontor.«
Während sie sich vorzustellen versuchte, wie dieser junge Mann aussah, fragte sie weiter: »Ist Magdalena sehr in ihn verliebt?«
Daraufhin prustete die Magd los.
Verwundert darüber blickte Anneke sie an. »Was ist dir, Greta? Willst du etwa sagen, dass sie nicht in ihn verliebt ist?«
Die Magd musterte sie etwas misstrauisch. Offenbar war ihr wieder eingefallen, dass sie eine von Frieda Bollerstrues Verwandten war. Eine unliebsame, gewiss, aber sie könnte sie vielleicht trotzdem verraten.
»Du kannst es mir ruhig sagen«, ermunterte Anneke sie. »Ich werde ihr nichts weitererzählen, versprochen.«
Die Magd zögerte noch ein wenig, dann sagte sie: »Die beiden heiraten nicht, weil sie sich lieben. Hansen ist ein mächtiger Mann und die Verbindung zwischen seiner
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