Sturmsegel
verheiratet zu werden, den sie nicht liebt. Ich würde das jedenfalls nicht wollen.«
»Ich bin sicher, dass dein Vater dich nicht so einfach verheiraten würde. Immerhin hat er dich auch allein reisen lassen.«
»Ja, weil Stralsund von den Kaiserlichen angegriffen wurde.«
Nun fiel ihr wieder ein, was die deutschen Kaufleute gesagt hatten, und ihre Miene verfinsterte sich.
Ingmar schien nicht so recht zu wissen, warum. Bevor er etwas sagen konnte, polterte auch schon der Wirt aus dem Hinterzimmer.
»Hier ist dein Bier und die Buttermilch!«
Während Ingmar bezahlte, trug Anneke den Eimer vor die Tür. Magnus hatte sicher bemerkt, dass sie miteinander gesprochen hatten. Ihren Abschied von Ingmar sollte er nicht mitbekommen, denn sie wusste nicht, wie er darauf reagieren würde.
Wenig später trat der junge Schiffsbauer nach draußen. Als er sie neben der Tür stehen sah, lächelte er sie breit an.
»Du lauerst mir also auf?«
»Ich wollte dir nur Lebewohl für heute sagen«, entgegnete sie und erkannte an dem Kribbeln in Wangen und Nase, dass sie rot wurde.
»Was hältst du davon, wenn ich dich zu uns einladen würde?«, fragte er plötzlich.
»Zu euch?«, fragte Anneke verwundert und hatte nun wieder den wutschnaubenden Schiffsbauer vor sich. Außerdem, lud man nicht nur Mädchen ein, die man den Eltern vorstellen wollte?
»Ja, meine Eltern würden sich sicher sehr freuen.«
»Ich weiß nicht«, gab Anneke zögernd zurück. »Dein Vater hat bei der Sache mit dem Holz nicht sehr erfreut gewirkt.«
»Du wirst doch wohl in unserem Haus nichts umwerfen, oder?«, entgegnete er lachend. »Außerdem hat er deswegen nicht dir gezürnt, sondern mir. Also, darf ich dich nach dem Kirchgang abholen?«
Anneke zögerte. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass jemand etwas Schlechtes von ihr dachte. Schon gar nicht die Svenssons.
»Magnus wird dir doch wohl einen halben Tag freigeben, oder?«, fragte Ingmar, der ihr Zögern wohl als Angst vor ihrem Dienstherrn auslegte.
Anneke zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber ich werde ihn fragen. Wenn ich meine Arbeit gut erledige und schnell bin, wird er mich vielleicht gehen lassen.«
Ingmar strahlte sie an. »Und wenn nicht, rede ich mit ihm. Also, sehen wir uns am Sonntag?«
Anneke nickte, konnte aber erst glauben, dass sie das getan hatte, als Ingmar mit seinen Krügen wieder verschwunden war.
*
Die Tage vergingen schleppend, doch schließlich war der Sonntag heran. Hatte Anneke während der Arbeit ihre Unruhe bisher noch recht gut bezwingen können, so musste sie an diesem Morgen aufpassen, dass sie nichts verschüttete oder herunterwarf.
Natürlich blieb Gitta nicht verborgen, dass sie angespannt war.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte sie. »Du benimmst dich ja, als hättest du heute Nacht auf einem Bett aus Disteln geschlafen.«
Das war durchaus ein treffender Vergleich. Das Stroh hatte nicht schlimmer gepiekt als sonst, aber dennoch hatte Anneke das Gefühl, als summten Bienen in ihrem Magen herum.
Jeden Tag hatte sie sich vorgenommen, Magnus zu fragen, ob sie Sonntag wegdürfte. Doch wenn sie alle am Tisch saßen, traute sie sich nicht. Während die Schenke offen war, hatten sie zu tun und allein wollte sie nicht zu ihm gehen. Nicht nach dem, was sie sich manchmal nachts anhören musste.
»Gitta«, begann sie vorsichtig und krallte die Hände in ihren Rock. Warum mussten ihre Hände auch so kalt und feucht sein?
»Was gibt es? Willst du mir was beichten, bevor der Pastor es erfährt?«
»Nein, ich …« Anneke zögerte. »Ich möchte dich um etwas bitten.«
Die Magd musterte sie verwundert, dann wischte sie ihre Hände an der Schürze ab. »Und um was? Sprich schon und mach nicht solch ein Geheimnis draus.«
Anneke spürte, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle festsetzte und ihre Stimme blockierte. Aber wenn sie sich mit Ingmar treffen wollte, musste sie ihre Frage stellen.
»Heute will mich ein Bursche abholen, sein Name ist Ingmar Svensson und er arbeitet auf dem Schiffsbauhof.«
»Und?«
»Ich wollte fragen, ob du nicht ein gutes Wort für mich bei Magnus einlegen könntest. Damit ich den Nachmittag frei bekomme.«
Gitta wirkte sichtlich geschmeichelt, dass sie gefragt wurde. Anneke jedoch kam sich ein wenig schäbig vor, denn sie benutzte damit das Wissen, das sie vom Spielmann erhalten hatte, um ihr Ziel zu erreichen.
»Aber am Sonntag Nachmittag hast du sowieso frei. Bis zum Abend.«
»Schon, aber ich weiß nicht, ob Magnus es
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