Sturmsommer
will nicht aus meiner Klasse weg. Niemals. Meine besten Freunde sind bei mir in der Stufe.
Ich drehe Fil und Freddie den Rücken zu und versuche zu schlafen.
Nach einer Weile ist meine Wut ein bisschen verraucht. Schlafen kann ich aber nicht, und nur dazuliegen und an die Wand zu starren ist anstrengend.
Freddie und Fil tun so, als wäre nichts gewesen. Das finde ich fair. Freddie legt ausnahmsweise mal sein Buch weg und kramt in seinem Nachttisch rum. »Will jemand einen Keks?«
»Ich!«, schreit Fil voreilig. »Oder zeig erst mal - ach nee, die mag ich nicht.« Er zieht eine Schnute. Freddie zuckt nur mit den Schultern.
»Mir soll’s recht sein. Du, Tom?«
»Ja, wirf mal einen rüber. Danke!«
»Pscht, ich glaube, da naht eine Schwester«, flüstert Fil warnend. Tatsächlich. Das müsste Berta sein. Sie ist riesig und hat ganz dicke große Zehen, die vorne aus ihren Sandalen rausstehen. Mit Zehennägeln, die aussehen, als seien sie aus Zement. Ich wusste gar nicht, dass Frauen so große Zehen haben können.
Sie steckt ihren Kopf durch die Tür und schaut uns prüfend an.
»Wir haben alle mehrfach geschissen«, sagt Freddie eiskalt und beißt in seinen Keks. Von Filippo ertönt nur ein ersticktes Wiehern, wie Damos, wenn er sich über ein Leckerli freut, und ich kann mich nicht recht entscheiden, was ich tun soll. Lachen oder mich unter der Decke verkriechen. Mir ist nach beidem zumute.
»Sie haben ziemlich große Füße«, rutscht es mir raus und dann ist alles zu spät. Während Fils Wiehern immer lauter wird und dazwischen Grunzer kommen, die seinem Schnarchen verdammt ähneln, zieht sie sich kopfschüttelnd zurück.
Oje, das wollte ich doch gar nicht sagen. Ich hab mir geschworen, nichts über ihre Füße zu sagen.
»Das sind keine Füße, das sind Hufe«, grinst Fil.
Als wäre das sein Stichwort, setzt Freddie sich auf und schaut mich begeistert an. »Hufe! Da fällt mir was ein! Wann fährst du nach Italien, Tom?«
»Die letzten zwei Wochen der Sommerferien, warum?«
Fil stöhnt genervt. »Nicht das Thema schon wieder.« Doch Freddie ignoriert ihn. Seine Augen strahlen plötzlich.
»Also, da gibt’s so eine Trekking-Fahrt, durchs Voralpenland, mit Pferden und Zelt und Lagerfeuer, Natur pur, was für Männer.«
Aha. Freddie mag ja schon ein bisschen Mann sein, aber ich? Ich entschließe mich, weiter zuzuhören.
»Ich war schon mal bei so was dabei. Allerdings war das damals nicht mit Pferden. Aber du reitest doch auch - hättest du nicht Lust mitzugehen?«
»Ich gehe bestimmt nicht mit!«, kräht Fil dazwischen, obwohl ihn niemand gefragt hat. »Pferde!«, schnaubt er verächtlich. »Das ist was für Mädchen.«
Ja, den Satz hab ich schon oft gehört. Und warum sind dann die meisten erfolgreichen Springreiter Männer? Und die meisten Reitlehrer? Prüfer? Ausbilder? Aber ich hab keine Lust, mich mit Fil zu streiten. Toni mag ja auch keine Pferde und ich streite mich nicht mit ihm.
Freddies Idee ist einfach der Hammer. Ich bin begeistert. Urlaub mit Pferden - das wollte ich schon immer mal machen, aber Mama und Papa sagen, ich dürfe erst allein in den Urlaub, wenn ich 14 bin. Und nun bin ich 14.
»Kann man da denn auch sein eigenes Pferd mitnehmen?«, platzt es aus mir heraus. Wenn, dann mit Damos. Und keinem sonst. Das steht fest.
»Du hast ein Pferd?«, rufen beide gleichzeitig. Freddie interessiert, Fil noch ein bisschen genervter.
»Ja, Damos heißt er.«
Fil und Freddie schauen sich an und prusten los.
»Hey, was ist denn? Ich weiß, der Name ist etwas komisch, aber deshalb …«
Ich versteh das nicht.
»Schon gut, Tom!« Freddie wischt sich die Lachtränen aus den Augen und Fil hält sich wimmernd seine Narbe.
»Du hast nur, als du Fieber hattest, ab und zu etwas von einem Damos gefaselt, und wir wussten nie, was das nun bedeutet. Ich meine, du bist ein Junge, und du redest im Traum von einem Damos. Wenn du von einer Sabine oder Natascha oder Jenny geredet hättest, okay, aber Damos?«
Freddie zwinkert mir zu. Jetzt muss auch ich lachen.
»Klar, deinen Gaul kannst du bestimmt mitnehmen - wenn er nur halb so hübsch wie deine Schwester ist, ist er willkommen.«
Fil wird wieder rot. Freddie erzählt versonnen weiter.
»Abends werden dann die Zelte aufgeschlagen. Meistens auf Reiterhöfen, manchmal auch in der Pampa. Nach einem Tag unterwegs ist man ganz schön groggy. Aber man erlebt auch so einiges. Meine Cousine organisiert die Fahrten, deshalb kann ich immer mit, wenn
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