Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
aus.
    »Ich laufe mir heute Abend wieder die Füße platt«, sagt sie. »Und ich hab gar keine Lust.« So locker sie auch redet, sie sieht immer lieb dabei aus. Füße platt laufen - dann kellnert sie heute Abend wohl wieder in der Eisdiele. Sie will unbedingt mit Chris in den Urlaub fahren und da ist Papa streng. Sachen, die er nicht gut findet, muss man sich erarbeiten. Da gibt’s dann keinen Zuschuss. Deshalb hatte ich mit Damos so viel Glück.
    Aber jetzt, wo ich die ersten Bissen hinuntergeschluckt habe, macht mich die Schokolade stutzig. Normalerweise schenkt mir Lissi nichts. Außerdem hab ich mehrere Schachteln Kekse und Pralinen von irgendwelchen Bekannten meiner Eltern auf dem Nachttisch stehen. Jetzt schaut sie auch noch so mitleidig.
    »Du, Tom«, beginnt sie zögernd.
    »Ja?«
    »Also, wegen Mathe und so - Mama hat gesagt…«
    Mama? Mathe? Ich hänge an ihren Lippen. Will Mama Damos jetzt doch abgeben? Vielleicht sogar verkaufen? Das kann doch nicht sein! Das darf nicht sein! Schlagartig schmeckt mir die Schokolade nicht mehr.
    »Na ja, du sollst Nachhilfe bekommen.«
    Mir fällt ein Stein vom Herzen.
    »Solange es nur das ist«, sage ich erleichtert. »Das hab ich doch sowieso schon geahnt.«
    »Dann ist ja gut. Tanja macht das sicher klasse.«
    »Was? Wer?« Ich setze mich kerzengerade auf und vergesse meinen Kopf. Die meinen doch nicht etwa …
    »Tanja, die aus deiner Klasse. Sie soll ein echter Mathe-Crack sein.«
    »Tanja? Sag mal, seid ihr denn bescheuert? Bei der blöden Gans? Meinst du denn, ich lasse mir von der Mathe beibringen, von dieser Streber-Kuh?«
    »Tom! Jetzt…«
    »Nein!!! Nein. Da bleibe ich lieber sitzen. Das …«
    »Thomas!« Lissi steht auf und macht wieder eine ihrer typischen Armbewegungen, die sie immer dann macht, wenn ihr was nicht passt. Wie ein Engel, der nicht abheben kann. Sie ist sauer.
    »Jetzt mach aber mal einen Punkt, ja? Du steigerst dich da nur rein! Die ist doch in Ordnung. Sie hat auch anderen schon prima geholfen. Und ihr könnt euch gemeinsam auf die nächste Arbeit vorbereiten.«
    »In Ordnung!? Also, wenn ich jemanden bei uns aus der Klasse nicht leiden kann, dann die! Ich dachte, das wisst ihr!«
    Lissi schüttelt ungläubig den Kopf. Hörte mir denn niemand zu? Jeder weiß, dass ich Tanja nicht leiden kann.
    »Es ist aber schon ausgemacht, Mama will es so. Wirklich, Tom, wir haben uns genug um dich gesorgt, mach kein Drama draus, du kannst da nicht mehr Nein sagen. Und ich gehe jetzt. Ich muss in die Eisdiele. Ciao.«
    Sie steht tatsächlich auf und geht raus. Einfach so. Nach nur drei Minuten. Und ich kenne sie, die kommt nicht wieder. Manchmal ist sie so entsetzlich erwachsen.
    Filippo ist auf einmal hellwach und schaut mit aufgerissenen Augen an die Decke. Sein Mund formt ein stilles »Wow«. Anscheinend mögen Italiener wütende Frauen.
    Am liebsten hätte ich Lissi den Stinkefinger gezeigt, aber ich konnte mich gerade noch beherrschen.
    Aha. Ausgemacht. Ohne mich. Das ist ja klasse. Die hätten mich ruhig mal fragen können. Aber Mama fragt nie bei so was.
    Und Lissi war echt gemein zu mir, hat mich angefahren, das macht sie doch sonst nicht. Das alles auch noch vor Freddie und Fil. Totale Blamage.
    Nachhilfe, nein, nicht bei Tanja. Sie ist so - ich weiß auch nicht, irgendwas stimmt mit der doch nicht. Schreibt nur gute Noten und freut sich nicht drüber. Wahrscheinlich freut sie sich heimlich umso mehr und triumphiert über die, die versagt haben.
    Und als es um mein Klassensprecheramt damals ging, hat sie sich enthalten. Jeder hat sie angestarrt bei der Abstimmung, aber das war ihr egal. Gut, ich hab sie manchmal aufgezogen mit den anderen, wegen ihrer seltsamen Klamotten, früher, und dieser Streberei, und weil sie nie irgendwo dabei ist, bei keinem Grillfest und keiner Klassenfahrt, aber allein das ist es nicht. Ich fühle mich einfach nicht wohl, wenn sie in der Nähe ist. Am liebsten wäre es mir, sie würde auf eine andere Schule gehen. Ich finde, sie stört, egal, was sie macht und tut.
    Ich will mir von ihr nicht helfen lassen, das weiß ich ganz tief drinnen. Von jedem anderen, ja, meinetwegen vom Klanke persönlich, meinetwegen von fünf Mädels auf einmal, aber nicht von Tanja.
    Doch ich weiß schon, was ich tun werde. Ich werde bocken und auf stur stellen und einfach alles verweigern, dann hat Tanja irgendwann keinen Nerv mehr. Die wird nicht mit mir fertig. Das schwöre ich.
    Das mit dem Sitzenbleiben hab ich nicht so gemeint. Ich

Weitere Kostenlose Bücher