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Sturmsommer

Sturmsommer

Titel: Sturmsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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liegen, verfolgt mich Tag und Nacht. Ich würde es nicht anders machen. Das ist es. Das trifft mich so. Ich würde auch mit Damos auf dem Boden liegen. Ich würde ihn keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich hasse es, Tanja verstehen zu können, so zu fühlen wie sie. Aber so sehr ich mich auch bemühe, ich kann es nicht abschütteln.
    Toni fängt leise zu schnarchen an, wie jede Nacht. Auch die anderen schlafen tief und fest. Mein Herz hingegen macht wieder diese komischen Sprünge und schlägt zwischendurch ganz schnell. Oft denke ich, bald keinen Sauerstoff mehr zu bekommen. Es fühlt sich an wie Angst. Okay, vielleicht spinne ich. Aber ich halte das keinen einzigen Tag mehr so aus. Seit dieser Nacht, in der ich Tanja gesehen habe, verfolgt mich das Gefühl, dass etwas Schreckliches passieren wird. Wir haben noch fast zehn Tage vor uns. Wie will sie das durchstehen? Das dauernde Getuschel und diese kalten Nächte? Und werde ich es durchstehen, Damos ständig von Meteor wegzutreiben? Denn er will zu ihm, er sucht seine Nähe. Ich habe Blasen zwischen den Fingern von den Zügeln und ich kann Damos nicht erklären, was los ist.
    Ich muss nachdenken. Ruhig bleiben und nachdenken. Gut. Ich habe diese blöden Träume und all das, seitdem ich weiß, dass Meteor zum Schlachter soll. Wirklich erst seitdem? Habe ich sie nicht schon länger? Egal. Verdammt, was kann ich nur tun? Vor allem kann ich hier nicht länger still rumliegen.
    Wie sooft in den vergangenen Nächten ziehe ich mir etwas über und gehe raus in die Dunkelheit. Neben dem Zelt laufe ich unruhig auf und ab. Ich muss etwas tun. Als ich in den sternklaren Himmel schaue, höre ich plötzlich die Stimme von Papa. »Egal, was ist - wir sind für dich da.«
    Das ist es. Papa muss mir helfen. Papa hat Geld, das sagen alle. Ich weiß nicht, wie viel er hat, aber das ist die Lösung, er muss Meteor kaufen. Und zwar sofort. Bevor etwas passiert. Aber wie soll ich ihm das erklären - dass ich dieses Gefühl habe, dass etwas passieren wird? Und vor allem - wie soll ich ihn erreichen?
    Mir tut mein ganzer Rücken weh vor Anspannung und mein Bauch zieht sich schmerzhaft zusammen. Handys haben wir alle keine dabei. Oder sie sind von den Betreuern eingesammelt und versteckt worden. Die Handys im Planwagen sind für den Notfall reserviert. Denn Akkus nachladen können wir hier oben nicht. Die meisten Almen, auf denen wir jetzt Rast machen, haben keinen Stromanschluss. Aber es ist ein Notfall. Doch, das ist es. Für mich. Und für Tanja. Und vor allem für Meteor. Ich denke das nur widerstrebend, aber wenn Tanja weiterhin nachts draußen schläft und nichts isst und ihr ständig übel ist, dann wird sie richtig krank. Ich weiß das. Seit vorgestern hustet sie auch. Manchmal sieht es aus, als könne sie sich kaum noch auf dem Pferd halten. Sie quält sich.
    Ich stehe in der kalten Nacht und es fühlt sich an, als würde mein Kopf jeden Moment platzen. Ich zwinge mich so vorzugehen wie bei der Mathearbeit. Schritt für Schritt zu einer Lösung. Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz nach Mitternacht. Mama und Papa sind bestimmt noch wach, und wenn nicht, dann haben sie zumindest nicht lange geschlafen. Ich muss an eines der Betreuer-Handys rankommen. Es geht nicht anders. Ich muss es versuchen. Und dann sehe ich weiter.
    Ich pirsche in Zeitlupe zum Planwagen rüber. Die beiden Friesen stehen zum Glück ein gutes Stück weiter weg. Es kann mich also kein Schnauben oder Wiehern verraten.
    Jetzt taucht der Wagen vor mir auf. Er wirkt auf mich wie eine Festung. Es ist Wahnsinn. Anne und Johannes schlafen da drin. Sie werden mich bemerken. Sie werden fragen, was los ist, und ich werde ihnen nicht alles sagen können. Sie werden mich nicht verstehen. Und vor allem wird Tanja es dann erfahren und es zu verhindern wissen. Sie ist wie ihre Mutter, da bin ich mir sicher, sie lässt sich nichts schenken. Und vor allem hasst sie mich. Ich bin überzeugt davon, dass sie das tut. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Jetzt geht es erst darum, Meteor zu retten.
    Es hilft also nichts, ich muss versuchen da reinzukommen, ohne dass sie aufwachen. Mit zittrigen Händen knöpfe ich die Plane an der linken Wagenseite ungefähr einen halben Meter auf. Das reicht, um reinzukriechen. Ein Windstoß fährt durch die Öffnung in den Wagen hinein. Irgendwo raschelt Papier. Ich bleibe starr stehen und versuche nicht zu atmen. »Sie können mich nicht sehen, es ist zu dunkel«, rede ich mir ein. Aber ich glaube

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