Sturmtief
dem Journalisten etwas von den geplanten
großen Dingen erzählt, die Sie vorhin erwähnten?«
Völlering drehte seine Hände in den Gelenken, ließ
Lüders Frage aber unbeantwortet. Auch intensives Nachfragen bewog den Mann
nicht, die Ankündigung näher zu erläutern.
Als Lüder wieder auf die Straße trat, sah er sich um,
ob ihm Dov Eisenberg gefolgt war. Doch von dem Israeli war nichts zu sehen.
Schade, dachte Lüder, der dem Mann gern ein paar Fragen gestellt hätte.
Lüder schlenderte die Hauptstraße entlang, überquerte
den Platz vor dem Rathaus und verharrte einen Moment, um einem Paar zuzusehen,
das vergnügt umherhüpfte, wobei die attraktive Frau, die sicher fast fünfzig
war, einen Ohrwurm vor sich hin summte. Lüder ließ sich den südlichen Teil der Fußgängerzone
entlangtreiben. Völlering hatte auf ihn nicht den Eindruck gemacht, als wäre er
der Drahtzieher im Hintergrund, der unter dem Vorwand des Umweltschutzes
Interessenvertreter geheimnisvoller Dritter war und dabei die Bürgerinitiative
nur als Vehikel missbrauchte. Andererseits hatten sowohl von Sohl vom
Kraftwerksmanagement als auch der Kinderarzt Dr. Feldkamp auf Völlering
verwiesen. Warum war Hannah Eisenberg noch nicht aufgetaucht? Der Mord an
Havenstein war vor zwei Tagen geschehen. Seitdem gab es keine Spur von der
Frau. Wenn sie den Journalisten auf seinen Recherchereisen begleitet hatte,
wusste sie vielleicht etwas und war selbst in Gefahr.
Lüder zog sein Handy hervor und rief Vollmers an.
»Können Sie Informationen über Albert Völlering aus
Niebüll einziehen? Ich denke an sein geschäftliches Umfeld. Also wären Anfragen
bei Banken und der Industrie- und Handelskammer in Flensburg interessant.«
Der Hauptkommissar versprach, sich darum zu kümmern.
»Haben Sie sich die Bilder auf Hannah Eisenbergs Kamera genau angesehen?«,
fragte er dann.
»Ja«, erwiderte Lüder gedehnt.
»Auch das Bild, auf dem Robert Havenstein abwehrend
beide Hände in die Höhe hält, so als würde er sich gegen das Bild sträuben? Im
Hintergrund ist eine Art Fabrikeinfahrt zu sehen. Wir können es bisher nicht
zuordnen.«
»Senden Sie es mir auf das Handy und auf meinen
Rechner?«, bat Lüder.
Kurz darauf hatte er die angeforderte Fotografie. Es
war etwas mühsam, die Einzelheiten auf dem kleinen Display zu erkennen. Aber um
den Zugang zum Atomkraftwerk Krümmel handelte es sich nicht. Den hatte Lüder
anders in Erinnerung. Auch wenn er seiner Vorstellungskraft freien Raum ließ
und sich die Aufnahme aus einer anderen Perspektive vorstellte, konnte er keine
Ähnlichkeiten entdecken. Spontan fiel ihm ein, dass sich Hannah Eisenberg für
die Marineanlagen in Eckernförde interessiert hatte. Ob es die Zufahrt zur
dortigen Basis war? Das müsste geprüft werden.
Auf der Rückfahrt von Niebüll fuhr Lüder über Husum.
Christoph Johannes freute sich über den spontanen Besuch und wechselte ein paar
freundschaftliche Worte mit ihm.
»Wo ist Wilderich?«, fragte Lüder und zeigte auf den
zweiten Schreibtisch, der aussah, als wäre dort eine Bombe explodiert.
Christoph erklärte, dass Große Jäger zu einem Einsatz unterwegs sei.
»Mord? Unter dem beginnt unser Küstencolumbo doch
keine Ermittlungen mehr«, sagte Lüder.
Christoph lachte herzlich mit. »Nein«, sagte er
schließlich. »Große Jäger hat sich eine schusssichere Weste angezogen und
Geleitschutz angefordert. Er ist zur Vernehmung eines Verdächtigen in Tönning.
Kreditkartenbetrug.«
Lüder verabschiedete sich von Christoph und stieg in
die zweite Etage der Polizeidirektion in Husums Poggenburgstraße.
Kriminaldirektor Jochen Nathusius war erfreut, als
Lüder überraschend durch die offene Flurtür eintrat. Er stand auf, umrundete
den Schreibtisch und eilte Lüder mit ausgestreckter Hand entgegen. »Herr Dr.
Lüders.« Das Strahlen im runden Gesicht des Leiters der Polizeidirektion war
ehrlich.
Lüder erwiderte den kräftigen Händedruck.
Kriminaldirektor Nathusius, wie immer korrekt mit farblich zum Anzug
abgestimmtem Hemd und passender Krawatte gekleidet, war viele Jahre als Leiter
des Polizeilichen Staatsschutzes Lüders Vorgesetzter beim Landeskriminalamt
gewesen. Gemeinsam hatten sie viele brisante Fälle geklärt. Lüder schätzte an
Nathusius nicht nur dessen brillante Fähigkeit zur Analyse und das Detailwissen
um die politische Szene, sondern auch, dass der Kriminaldirektor seinen
Mitarbeitern stets den Rücken freigehalten hatte. Auf Nathusius hatte man sich
immer
Weitere Kostenlose Bücher