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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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wichtig.«
    »Kann jeder das?«
    »Ja, schon. Jeder kann es lernen, zumindest ein wenig. Aber nur die wenigsten kommen über winzige, ungeformte Ausbrüche hinaus. Zum einen ist es langwierig und erfordert einiges an Disziplin. Zum anderen ist es auch eine Sache der Begabung. Manchen fällt es einfach leichter. Und in dir scheint eine Menge davon zu schlummern, die es gar nicht erwarten kann, sich mal draußen zu zeigen.«
    Sinao überging den Teil seiner Aussage, der sich mit ihr befasste, einfach. »Und die Caserdote? Die Magietrinker?«, fragte sie stattdessen.
    »Gute Frage. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Auch da spielt sicherlich Talent eine Rolle. Nicht jeder, der in die Ränge der Kirche der Einheit aufgenommen wird, ist am Ende ein echter Caserdote. Es gibt wahrlich genug Laienbrüder und -schwestern. Und bei den Mauresken werden sie – die Magietrinker – eher wie Aussätzige behandelt. Ich habe mich damit selten befasst. Aber etwas daran ist für dich und mich wichtig: Deine mächtigste Magie, dein stärkstes Mojo kann von einem einzigen Gedanken vernichtet werden. Oder gebannt, wenn dir das lieber ist. Nichts, was wir schaffen, kann für die Ewigkeit bestimmt sein. Diesem Irrglauben sind die Nigromantenkaiser aufgesessen, und das war schlussendlich ihr Untergang.«

    Es dauerte eine Weile, bis Sinao alles verarbeitet hatte, was ihr der Maestre erzählte. Diese Welt war ihr so fremd, dass sie sich noch verlorener fühlte, als sie es ohnehin schon war. Zu ihrem Entsetzen spürte sie eine Sehnsucht nach Hequia in sich, nach der Insel, auf der jeder Tag dem anderen geglichen hatte, nach ihrem alten Leben, das ihr zumindest vertraut gewesen war. Wütend schalt sie sich in Gedanken ein dummes Huhn und fragte rasch: »Wer war das?«
    »Och, das wär’ jetzt’ne langweilige Geschichtslektion«, wiegelte Manoel ab. »Die haben mal Corbane beherrscht, aber jetzt sind sie tot und vergessen. Kann ich dir später mal erzählen, da gibt es’n paar lustige Geschichten. Die wussten, wie man Spaß hat.«
    Sein Schmunzeln verwirrte sie. Aber ihre Gedanken waren nicht auf die Geschichte von Corbane gerichtet, sondern auf das Wissen, das sie heute über die Vigoris erlangt hatte.
    »Machen wir noch mehr?«
    »Nein, es ist genug. Wir werden die Lektion noch ein paar Mal wiederholen, bis du ein gutes Gefühl für die Vigoris bekommst. Wir gehen langsam vor, wir haben doch Zeit. Und bitte tu nichts, wenn ich nicht dabei bin. Keine Hetze. Ich möchte ungern dem Käpt’n erklären müssen, dass du das Schiff in die Luft gejagt hast, bloß weil ich dir nicht ordentlich beigebracht habe, wie man eine Kerze anzündet, ohne die Hände zu benutzen.«
    Stumm nickte Sinao. Sie hätte niemals daran gedacht, sich dieser gefährlichen und berauschenden Macht ohne ihn hinzugeben, und seine Bitte bestärkte sie in ihrem Entschluss.
    »Das war ein Scherz«, erklärte Manoel, während er seine Pfeife ausklopfte. Sinao erhob sich und strich sich die feuchte Erde vom Rock. Jetzt war die Nässe doch etwas unangenehm, aber ihre Kleider würden schon bald in der prallen Sonne getrocknet sein. Es dauerte zwölf Sekunden, bis auch
der junge Maestre sich erhob. Ungerührt band er den einfachen Gurt wieder fester um die Hüften und grinste Sinao an.
    »Aufbruch?«
    Schweigend ging Sinao voraus. Der Wald, der im Regen so viel stummer gewesen war, wurde nun von Vogelstimmen und dem Surren zahlloser Insekten belebt. Der schmale Pfad führte sie bald zurück zu den ersten Hütten, wo die Menschen sich wieder ihrem Tagwerk widmeten. Hier lebten vor allem Paranao und Halbherzen mit dunkler Haut und dunklen Augen, die zu ihnen herübersahen, als sie sich wieder auf den Weg zurück zum Hafen machten. Die Bauern hier waren keine Sklaven der Weißen, aber dennoch schienen sie beinahe so furchtsam wie die Paranao auf Hequia. Manche der Hütten waren angemalt, aber die meisten waren nur mit Lehm verputzt, der das Holz mehr schlecht als recht zusammenhielt. Farbe oder Lehm blätterte bei vielen ab, und die Gebäude waren winzig klein, viel zu klein für all die vielen Menschen, die darin zu leben schienen.
    »Es sind so viele«, murmelte Sinao, nachdem sie sechsundsiebzig Menschen allein in den ersten acht Hütten gezählt hatte.
    »Hier oben wohnen die Armen, die sich kein Haus in der Stadt unten leisten können«, erklärte Manoel. »Sie pflanzen an, was immer hier wächst, und verdingen sich unten bei den Docks als Arbeiter, wenn die Schiffe da

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