Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Man sagte mir, dass wir Gesellschaft haben«, erklärte der Leutnant und warf dabei einen Seitenblick auf Jaquento, der sich bislang abseits gehalten hatte. Der junge Hiscadi schien von der Aufregung, die viele an Bord ergriffen hatte, gänzlich unbeeindruckt zu bleiben. Er blickte einfach nur stur voraus, als könne er bereits die raue Küstenlinie Reidrens sehen.
»Ein Segel am Horizont. Aller Wahrscheinlichkeit nach ein thaynrischer Händler. Aber seien Sie darauf gefasst, Ihre Leute bereit zu machen. Es könnte auch eine Prise sein, nicht wahr?«
»Aye, aye, Thay.«
Nach diesem kleinen Wortwechsel schwiegen die Offiziere. Die Mantikor lag fabelhaft vor dem Wind, und sie kamen ihrer potenziellen Beute immer näher. Wie jedes Mal bewirkte die Aussicht auf Prisengeld wahre Wunder bei der Mannschaft. Oder vielleicht war es auch die Ahnung eines kommenden Gefechtes, die sie zu Höchstform auflaufen ließ. Der Bug der Fregatte teilte die Wellen, und der Wind drückte die Masten an Steuerbord herab, dass es Roxane eine wahre Freude war. Über all den Fährnissen der letzten Tage und Wochen hatte sie fast vergessen, welch ein Gefühl es war, wahrhaftig zu segeln. Sie musste sich ermahnen, nicht zu lächeln oder gar dümmlich zu grinsen. Links von ihr stand Jaquento, und der Hiscadi legte sich offensichtlich nicht dieselbe Zurückhaltung auf, sondern genoss die schnelle Fahrt. Mit einem raschen Lächeln nickte er ihr zu, als wolle er ihre Gedanken bestätigen.
Endlich rief Tola, deren Stimme nun doch vor Aufregung brüchig wurde: »Ein Sturmweltfahrer, Thay!«
Wortlos hielt Roxane ihre Hand auf und ließ sich das Fernrohr reichen. Ihr Blick fuhr über die Segel, über die Takelage und über den Rumpf. Es bestand kein Zweifel, dass Tola recht hatte.
»Vielleicht einer der unsrigen, der sich das Geleitgeld sparen wollte. Oder sie haben den Konvoi verpasst«, murmelte Roxane so leise, dass ihre Worte vom Wind verschluckt wurden. Noch hoffte sie auf eine Prise. Es würde ihr im Prozess sicherlich helfen, wenn sie nicht mit leeren Händen in den Hafen einlief. Ihr Blick fiel auf Jaquento. Mit ganz leeren Händen komme ich ja auch nicht. Aber seine Chancen stehen ohnehin schlecht; ich kann ihm nicht auch noch in den Rücken fallen. Andererseits wird man ihn wohl so oder so hängen . Der Gedanke war unangenehm, und sie fühlte sich durch ihn beschmutzt. Nein! Ich stehe für meine eigenen Verfehlungen gerade! Ich trage die Konsequenzen meines Handelns, wie es eine Offizierin der Marine tun sollte .
»Sie fährt unter thaynrischer Flagge«, stellte Cudden unvermittelt fest und senkte das Fernrohr. Trocken fügte er hinzu: »Kein Prisengeld für die Besatzung der Mantikor .«
»Wir halten dennoch Kurs und sehen uns das genauer an«, befahl Roxane. »Lassen Sie Ihre Soldaten antreten, Leutnant, wir werden den Händler beidrehen lassen, und Sie werden übersetzen.«
»Aye, aye, Thay!«
Als Roxane das Schiff durch das Fernrohr betrachtete, konnte sie sich von Cuddens Worten überzeugen. Auch wenn die Flagge am Heck durch den Wind schwer zu sehen war, gab es keinen Zweifel, dass die Farben thaynrisch waren.
Inzwischen musste der Sturmweltfahrer auch bemerkt haben, dass seine Verfolgerin eine Fregatte unter vollen Segeln war, denn er nahm Segel von den Masten und verlangsamte seine Fahrt, so dass die Mantikor schnell aufholte. Wenn es eine List war, dann besaß der Kapitän Nerven aus Eisen oder Eiswasser statt Blut. Aber Roxane war nicht gewillt, sich beeindrucken zu lassen. Sie würden dem Standardprozedere folgen und Cudden samt seiner Marinesoldaten schicken, um die Identität des Sturmweltfahrers zu überprüfen.
Rasch näherten sie sich dem langsameren Schiff auf dreißig Faden, und Roxane ließ Segelfläche reduzieren. Sie unterschätzte das Bewegungsmoment der Fregatte leicht, wodurch sie etwas an ihrem Ziel vorbeischossen, aber schon bald lagen die beiden Schiffe nur wenige Faden voneinander entfernt in den Wind gedreht.
»Überbringen Sie dem Kapitän meine Grüße, Leutnant«, befahl Roxane. »Und sehen Sie sich bitte die Frachtpapiere genau an. Wenn Ihnen etwas seltsam erscheint, haben Sie Erlaubnis, den Frachtraum nach Konterbande zu durchsuchen.«
»Aye, aye, Thay.«
»Und lassen Sie die Mannschaft zählen. Ein solches Schiff braucht nicht mehr als hundert, hundertzwanzig Seeleute Besatzung. Wenn genug da sind, suchen Sie eine Handvoll aus, die mit Ihnen kommen.«
»Ich soll sie pressen,
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