Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
Gefecht! Alle auf ihre Posten!«
Ihre Order beendete das Gespräch, und Huwert lief zum Hauptdeck hinunter, um die Vorbereitungen zu überwachen. Ebenso wie er fürchtete auch sie sich davor, noch einmal gegen einen Drachen anzutreten, aber sie unterdrückte ihre Angst.
Vor der Siorys lichtete sich der künstliche Nebel und gab den Blick auf die offene See frei. Im hellen Sonnenlicht sah Roxane mehrere Hundert Fuß an Steuerbord eine Handvoll Schiffe, die in ein tödliches Gefecht auf kurze Distanz verwickelt waren. Roxane konnte nicht erkennen, wer gegen wen kämpfte, aber das Gefecht trat ohnehin in den Hintergrund, als sie voraus eine Fregatte erblickte, die schwer beschädigt auf den Wellen trieb. Auf dem Deck der Fregatte sah sie den Drachen, mitten auf dem Schiff, wild um sich schlagend. Holz flog durch die Luft, mächtige Planken zerbrachen einfach unter seinen Hieben, und menschliche Körper wurden über die Reling in die See geschleudert.
Stille legte sich über die Siorys , als die Offiziere und die Mannschaft ebenso wie ihre Kapitänin gebannt auf das Schauspiel starrten.
Die Fregatte hatte bereits Schlagseite, aber noch erhoben sich die Geschützluken über der See. Ihre Flanke war im Schwarz und Weiß der Marine gestrichen, und am Heck hing die Flagge Thaynrics herab. Die Fregatte war nicht sehr groß, auf den ersten Blick schätzte die Kapitänin sie als 32er
ein, mit 12-Pfündern als Bewaffnung. Sie lag tief im Wasser, und ihre Masten waren direkt über dem Rumpf abgebrochen.
»Coenrad, halten Sie den verdammten Drachen unten, bis wir nah genug heran sind.«
»Ich kann es versuchen, aber ich weiß nicht …«
»Sie schaffen das«, stellte Roxane mit einer Stimme fest, die keinen Widerspruch duldete, auch wenn sie keineswegs sicher war, dass der Maestre dieser Aufgabe gewachsen war.
Die Siorys näherte sich der angeschlagenen Fregatte und ihrem Zerstörer. Roxane wandte den Blick nicht von dem grausamen Geschehen. Offenbar hatten die Männer und Frauen des Schiffs eine Verteidigungslinie errichtet, und immer wieder feuerten sie mit Musketen und Pistolen, aber der Drache griff unablässig an, hieb mit seinen riesigen Klauen in die Menge der Verteidiger, schnappte nach ihnen und zerfetzte sie mit gewaltigen Schwanzhieben.
Näher und näher glitt die Korvette heran. Schon trennten sie nur noch fünfzig Fuß von ihrem Feind, da schwenkte der Kopf des Drachen herum, sein Blick fixierte Roxane, und er streckte sich vor und brüllte herausfordernd.
»Jetzt, Coenrad!«
Roxane gab laut Befehle. Die Siorys legte sich in eine enge Wende, und die Kapitänin sprang auf das offene Geschützdeck hinab. »Feuer nur auf mein Kommando!«
Sie hastete zur ersten Kanone am Bug, beugte sich über den Lauf. Quälend langsam kam die Fregatte in Sicht, dann der Drache, der seine Schwingen ausgebreitet hatte. In der sandfarbenen ledrigen Haut der Flügel zeigten sich Risse und große Löcher, aber er schlug wild mit den Flügeln. Doch es gelang ihm nicht, sich vom Schiff zu lösen. Er sprang ein Stück in die Höhe, dann hing er kurz in der Luft.
»Feuer!«
Roxane achtete nicht darauf, ob der Schuss traf, sondern
lief zum nächsten Geschütz und visierte ihr Ziel an. »Feuer!«, rief sie der Geschützmannschaft zu, die schwitzend, rußverschmiert und fluchend die Kanonen bediente und dem Befehl dennoch mit höchster Präzision nachkam. Der Kanonier presste den glimmenden Luntenstock auf das Zündloch, und die Kanone brüllte auf, übertönte selbst den Drachen. Genau dazu dient sie, die Disziplin der Marine, schoss es der Kapitänin durch den Kopf.
Roxane rannte von Kanonen zu Kanone, zielte und ließ feuern. Erst, als sich die erste Salve donnernd gelöst hatte, hielt sie inne und schaute nach den Ergebnissen des Angriffs.
Der Drache war auf das Deck zurückgefallen. Er stand in geduckter Haltung da, und Roxane konnte rotes Blut sehen, das über seine hellen Flanken lief. Er brüllte laut und wild, aber es war ein Laut der Schmerzen und der Angst, kein Siegesgebrüll.
»Bringen Sie uns ran, Leutnant! Klarmachen zum Entern!«
Die Siorys verkürzte die Distanz zu der Fregatte, rieb sich knirschend am Holz des größeren Schiffes, dann flogen die Enterhaken und vertäuten sie miteinander. Roxane zog ihren Säbel und sprang über die Schanz. Sie musste sich nicht umblicken; sie wusste, dass ihre Leute ihr folgen würden.
Der Drache fauchte wütend, und sein Haupt zuckte vor, direkt an Roxane vorbei, und seine
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