Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
ganz unsicher von der Kraft der Vigoris, die eben durch sie hindurch -und über sie hinweggerauscht war.
»’tschuldigung, Thay«, knurrte der Soldat. »Weiß auch nicht, wie sie das gemacht hat.«
Er wollte sie nach hinten zerren, aber Sinao stemmte sich dagegen. Einen Augenblick gelang es ihr auch, ihm zu widerstehen, aber der Soldat war größer und stärker als sie, und Sinao wusste, dass er sie im nächsten Moment einfach mit sich ziehen würde.
Doch Bercons hob die Hand und schüttelte den Kopf. »Schon gut. Lassen Sie sie los.«
Dann wandte er sich an Sinao: »Was ist denn?«
Ihre Blicke huschten zu den beiden Gästen des Kapitäns. »Allein?«
Als er nicht sofort antwortete, mischte sich der Uniformierte ein: »Kapitän, das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Wir befinden uns in einer äußerst kritischen Lage, und Sie tun weder sich noch Admiral Thyrane einen Gefallen, wenn Sie die Klärung der Situation weiter verzögern.«
Bercons Gesichtsausdruck verfinsterte sich.
»Leutnant, wenn ich Ihre Meinung an Bord meines Schiffes hören will, werde ich Sie dazu auffordern, sie mir mitzuteilen. Mir scheint, Sie waren zu selten im aktiven Dienst, um sich noch an die Gepflogenheiten zur See zu erinnern.«
»Verzeihen Sie mir, Kapitän«, beeilte der Mann sich zu sagen, aber Sinao konnte in seinem teigigen Gesicht sehen, dass er nicht um Verzeihung bat, sondern lediglich eine Floskel vorbrachte, weil er hoffte, den Kapitän durch Freundlichkeit umzustimmen.
»Es ist wichtig«, erklärte sie und richtete einen flehentlichen Blick auf Bercons. »Bitte.«
Nach sechs weiteren Sekunden, in denen niemand ein Wort sprach, nickte der Kapitän langsam.
»Ich bitte Sie, mich einen Moment zu entschuldigen. Wir werden das Gespräch unverzüglich weiterführen, sobald ich mich um diese Angelegenheit gekümmert habe.«
Seine Gäste sagten nichts, sondern erhoben sich nur. Sinao spürte ihre stechenden Blicke, als sie an ihr vorübergingen und die Kajüte verließen.
Erst, als sich die Tür geschlossen hatte, nahm Kapitän Bercons wieder Platz und sah Sinao auffordernd an.
»Ich hoffe, es ist wirklich wichtig, mein Kind. Die Compagnie lässt sich nur äußerst ungern die Tür weisen. Also, was kann ich für dich tun?«
Die junge Paranao suchte nach Worten. Sie wusste, dass sie nur diese eine Chance hatte, Bercons zu überzeugen, und dass der Kapitän die Leute weniger ihretwegen als vielmehr
ihres Auftretens wegen hinausgeschickt hatte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
»Du darfst nicht auf sie hören«, bat sie schließlich. »Auf die Leute von der Compagnie. Sie haben Admiral Thyrane gefangen genommen.«
»Das stimmt. Und leider brauchen sie dafür meine Zustimmung nicht. Auch ist es gut möglich, dass es legal war, ihn festzusetzen. Aomas hat seine Befugnisse wohl ziemlich großzügig ausgelegt, um es freundlich zu sagen.«
Jetzt war es an ihr, den Kapitän fragend anzusehen. Offenkundig erkannte er, dass sie seine Worte nicht verstanden hatte, denn er erklärte: »Er hat Dinge getan, die er vielleicht gar nicht tun durfte.«
»Aber er musste doch etwas unternehmen, nicht wahr? Was hätte er denn machen sollen? So tun, als ob er Bailiff Malster glaubte, und einfach vergessen, was auf Rosarias vor sich geht? Das konnte er gar nicht, er hatte doch einen Auftrag von eurer Cacique bekommen, eurer Ältesten! Thyrane ist ein guter Mensch. Und die Leute der Compagnie sind das nicht. Nicht auf Hequia, nicht auf Rosarias und nicht hier.«
Nachdenklich stützte Bercons sein Kinn in die linke Hand. Sie sah, wie es in seinem Herzen arbeitete. Nichts von dem, was sie gesagt hatte, konnte ihm neu gewesen sein, aber die Frage war, was er daraus machen würde. Er war loyal, das erkannte sie in diesem Augenblick, und er wollte Thyrane nicht alleinlassen.
»Es war nicht richtig, ihn gefangen zu nehmen«, sagte sie eindringlich. »Und was er getan hat, war nötig. Du warst dabei. Weißt du, was sie jetzt mit ihm machen werden? Und wenn sie ihn gefangen nehmen, dann können sie dich auch gefangen nehmen.«
»Vermutlich nicht«, wehrte der Kapitän ab. »Das gäbe dann doch viel zu viel Aufsehen. Ich denke eher, dass sie ihn
als Sündenbock nutzen werden und ansonsten wenig geschieht. Sie lassen ihn eine Weile auf Lessan schmoren, bis Gras über die Sache gewachsen ist, und schicken ihn dann mit einem Kriegsschiff nach Hause. Vermutlich wird das alles gar keine Folgen für ihn haben. Und wenn doch, dann
Weitere Kostenlose Bücher