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Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Titel: Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Todsünde vor Augen, stellte sich das Schiff so detailliert wie möglich vor, dachte an all die Wege, die sie im Schiff zurückgelegt hatte, versuchte, sich an jeden Gang, jede Kammer und jedes Detail zu erinnern. Dann schlug sie mit der Faust an die Tür.
    »He! He!«

    Ihre Stimme dröhnte in ihren Ohren, und das Holz erzitterte unter ihren Hieben. Ihr ganzer Körper war angespannt, bereit, jederzeit zu agieren.
    Zunächst geschah nichts, und eine Welle der Frustration durchlief sie. Nicht aufgeben. Nicht nachlassen.
    Sie schlug wieder gegen das Holz, rief noch lauter als zuvor. Dann hörte sie, wie der Riegel bewegt wurde. Sie wandte den Kopf ab. Ein schwacher Lichtschein fiel in die Brig, der jedoch hell genug war, um sie zu blenden.
    Sie wirbelte herum, die Augen zu Schlitzen verengt. Ihre Fäuste trafen den Mann in die Brust und trieben ihn rückwärts aus der Tür. Tareisa setzte nach, aber er war nun nicht mehr überrascht, sondern gegen ihren Angriff gewappnet. Er blockte ihren Hieb mit dem Arm ab und packte ihr Handgelenk. Sie zerrte und wand sich, aber er war zu stark.
    Als sie nicht aufhörte, sich zu wehren, schlug er ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Ihr Kopf flog herum, und ihr wurde schwindelig. Der Schmerz war nicht das Schlimmste. Die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, rührten nicht von dem Schlag her, sondern von ihrer Verzweiflung. Ihr Körper erschlaffte, und der Mann redete in einer ihr unbekannten Sprache auf sie ein. Die Maestra ließ den Kopf gesenkt, so dass ihr die Haare ins Gesicht fielen; sie schämte sich der Tränen.
    Beinahe hätte sie sich der Vigoris geöffnet, hätte versucht, einen Zauber zu wirken, egal welche Konsequenzen das haben mochte. Erst im letzten Moment hielt sie sich zurück, denn sie wusste, dass sie nicht mehr würde aufhören können, wenn sie einmal damit begann. Der Sog würde ihr die Vigoris rauben, mehr und mehr, und es würde damit enden, dass Tareisas Körper dem Strom nicht länger standhalten könnte und unter der rohen Macht verginge.
    Der Mann schob sie vor sich her, zurück in die Dunkelheit
der Brig. Seine Stimme war überraschend sanft, aber seine Absicht unmissverständlich.
    Plötzlich schrie er auf. Tareisa blickte hoch und sah ihn im hellen Rechteck des Türrahmens zurücktaumeln. Er riss die Hände zum Gesicht und ließ die Maestra dabei los. Sein dunkler Schatten führte einen grotesken Tanz auf, dann stolperte er und stürzte zu Boden, wälzte sich umher, die Hände vor das Gesicht geschlagen.
    Tareisa nutzte den Moment. Sie sprang über den Gestürzten hinweg, wich seinen seltsamen, krampfartigen Bewegungen aus und lief weiter in den Gang hinein, der sich hinter der Tür öffnete. Aus dem Augenwinkel erhaschte Tareisa einen Blick auf eine kleine, rote Gestalt, die wie ein Blitz davonhuschte und im Schatten verschwand, doch sie rannte einfach weiter.
    Sie befand sich im Bug der Todsünde , wie sie es erwartet hatte. Der Gang war schmal und die Decke niedrig. Vor sich sah sie die Treppe, die an Deck führte, und sie bog um die Ecke, um die Stufen hinaufzulaufen.
    Da hörte sie Schritte und zog sich ein Stück zurück, noch bevor sie die Seeleute sah, die ihr entgegenkamen. Kräftige Männer mit weiten Hosen und einfachen Hemden wie die, die sie zu dem Glatzkopf geführt hatten. Die Seeleute schauten sich suchend um. Die Schreie ihres Bewachers waren nicht ungehört geblieben.
    Hastig drehte die Maestra sich um und lief auf leisen Sohlen in die entgegengesetzte Richtung. Im Gang kam der Gestürzte gerade wieder auf die Füße, und vorn ging es nur zur Brig. Also bog sie in einen anderen Gang ab, eilte bald durch einen schmalen Durchgang und gelangte so auf das Hauptdeck, wo die Kanonen standen. Und wo die Seeleute ihre Hängematten gespannt hatten.
    Dutzende Gesichter starrten sie an, verblüfft oder auch feindselig. Einige Matrosen, die verstanden, was sie sahen,
sprangen bereits auf und drängten in ihre Richtung. Es würde nur Augenblicke brauchen, bis auch die anderen begriffen, dass ihre Gefangene sich befreit hatte, und dann würden sie sie unausweichlich wieder einfangen. Auf einem Schiff gibt es kein Entkommen .
    Mit dem Mut der Verzweiflung sprang Tareisa nach rechts, schubste mit weit ausgestreckten Armen einen Seemann von dem Geschütz, auf dem er gesessen hatte, und suchte mit fahrigen Bewegungen nach dem Verschluss der Stückpforte.
    Es war nur ein einfacher Riegel, und sie schob ihn mit zitternden Fingern hoch. Der Seemann

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