Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
Würde zu vertreten. Ich wünschte bloß, ich würde mich auch so fühlen, dachte sie.
Langsam kämpfte die Korvette gegen die Fluten, die ihr entgegenströmten. Immer wieder musste die Kapitänin den Kurs um ein weniges korrigieren und die Segel trimmen lassen. Die Lotgasten am Bug machten beständig Meldung, wie viel Spielraum ihnen unter dem Kiel noch blieb. Die kleineren Flussboote machten der Siorys respektvoll Platz, und selbst die größeren Kähne wichen ihnen aus. Im Hafen hatten zwar einige Schiffe gelegen, die es von der Größe her mit der Korvette hätten aufnehmen können, doch auf dem Fluss war die Siorys ohnegleichen.
Als sie bereits die ersten Häuser passiert hatten, löste sich ein flaches Ruderboot von einer Anlegestelle und hielt gerade
auf sie zu. In dem Boot waren selbst auf die Entfernung mehrere Uniformierte zu erkennen. Roxane nahm ihr Fernrohr zur Hand und entdeckte Gouverneur Senpier, der in einer beeindruckenden Montur voller goldener Litzen und mit mächtigen Epauletten steckte. Seine Brust war geradezu mit Orden gepflastert. Als er Roxanes Aufmerksamkeit bemerkte, winkte er hektisch und machte Gesten, die sie wohl veranlassen sollten, an Fahrt zu verlieren.
»Ich glaube, er möchte, dass wir anhalten«, feixte Groferton. »Mein nautisches Verständnis ist nicht sehr ausgeprägt, aber es scheint mir, als sei Senpier noch unbeschlagener. Er verwechselt die Siorys wohl mit einer Kutsche.«
»Coenrad, das ist sehr ungebührlich«, sagte Roxane tadelnd, zwinkerte ihrem Bordmaestre dabei aber zu. Wo er Recht hat …
Roxane trat an die Reling und ließ sich ein Sprachrohr reichen. Dann wartete sie, bis das Boot noch näher kam, bevor sie sich an seine Insassen wandte.
»Was kann ich für Sie tun, Gouverneur?«
»Ihr könnt mir Erlaubnis erteilen, an Bord zu kommen, Capitane.«
»Mit Vergnügen.«
Das Boot ging längsseits, was sich angesichts der Geschwindigkeit der Siorys und der Strömung als nicht gerade einfaches Manöver erwies. Erst als Roxane ihre Besatzung anwies, mit Stangen und Seilen zu helfen, gelang es, das flache Boot zu vertäuen. Um weitere Zwischenfälle zu vermeiden, ließ die Kapitänin zudem ein Fallreep klarmachen.
Doch trotz der Hilfe dauerte es einige Minuten, bis es Senpier an Bord geschafft, seine derangierte Kleidung gerichtet und seinen formidablen Dreispitz aufgesetzt hatte. Dann jedoch kam er schnurstracks zum Achterdeck, wo Roxane auf ihn wartete.
»Capitane, mich deucht, dass Euer feines Schiff den Fluss emporfährt«, erklärte er mit einer formvollendeten Verbeugung. Roxane grüßte militärisch knapp mit einem angedeuteten Salut. Der Gouverneur war ein kleines Stück größer als sie und sehr schlank. Sein Gesicht zeigte die Jahre, die er Roxane voraushatte, aber seine wachen Augen und sein charmantes Lächeln verrieten, dass sich hinter seiner Stirn ein schlauer Geist verbarg. Schon bei ihrem ersten Besuch in seiner Residenz hatte sie erkannt, dass er ein Mann war, den man trotz seines geckenhaften Auftretens nicht unterschätzen sollte.
»In der Tat, Gouverneur«, erwiderte sie.
»Nun, ich muss Euch darauf aufmerksam machen, dass dies höchst ungewöhnlich ist und einen Bruch des Protokolls darstellt. Wir hätten zumindest zuvor über Eure Pläne informiert werden sollen. Ich muss Euch deshalb bitten, umzukehren und in den Hafen zurückzukehren.«
Roxane räusperte sich, um einen Augenblick Zeit zu gewinnen. Dann blickte sie Senpier mit einem Ausdruck an, von dem sie hoffte, dass er möglichst aufrichtig wirken würde.
»Falls wir uns einer Unhöflichkeit schuldig gemacht haben, bitte ich diese zu verzeihen, Gouverneur. Aber die Bitte umzukehren muss ich leider ablehnen. Unser Ziel liegt flussaufwärts, und wir müssen es erreichen. Mir sind bedauerlicherweise die Hände gebunden, und von einer befreundeten Nation erwarte ich in dieser Angelegenheit keine Scherereien.«
Huwert sog hörbar die Luft ein, als der Ausdruck ›befreundete Nation‹ fiel, aber mit einiger Willensanstrengung gelang es Roxane selbst, keine Miene zu verziehen.
Senpier sah sie forschend an, als versuche er, ihre Absichten zu erraten. Dann strich er sich über den sorgsam gestutzten Schnurrbart.
»Ich fürchte, es geht um mehr als nur protokollarische Fragen, meine Teure. Es gibt Abkommen, die Géronay das Recht auf den Hafen und dank Erweiterung auch auf den Fluss zusprechen. Die einheimischen Behörden wären sicherlich nicht erfreut, wenn diese Verträge
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