Sturmwind der Liebe
deshalb, weil Sie sagten, ich sei der Onkel Ihrer Söhne.«
Der Mann blickte ihn weiterhin voller Verwunderung an. Doch er antwortete ruhig und freundlich. »Ich bin Burke Drummond, Earl von Ravensworth. Meine Frau Arielle ist die Halbschwester deiner ersten Frau Nesta, die vor fünf Jahren im Kindbett verstarb.«
»Nesta. Ich habe sie so oft im Geiste vor mir gesehen. Immer nur für Augenblicke, wissen Sie. Manchmal sehe ich sie als Schwangere, süß und lächelnd. Aber meistens sehe ich sie als Tote, wie sie kalt und stumm daliegt und …« Alec führte den Satz nicht zu Ende, sondern sagte statt dessen: »Sie … du bist also mit Nestas Schwester verheiratet.«
»Ja, seit fünfeinhalb Jahren«, sagte Burke.
»Und du warst einmal Soldat.«
»Woher weißt du das?«
Alec zuckte die Achseln. »Es ist deine Haltung, und außerdem na, ich weiß es einfach. Waren wir beide eng befreundet?«
»Nicht direkt. Wir haben uns ja lange Zeit nicht gesehen. Du hast jahrelang in Amerika gelebt, in Boston. Danach hast du Nesta auf viele deiner Auslandsreisen mitgenommen. Als du zurückkehrtest, habt ihr im August 1814 bei uns gewohnt. Dann brachtest du Nesta auf deinen Landsitz in Northumberland. Dort ist sie im Dezember gestorben.« Jetzt verstummte Burke Drummond plötzlich. Dies übertraf alles, was er je erlebt hatte. Vor mehr als zehn Jahren hatte er Alec kennengelernt, der damals neu in der Londoner Gesellschaft, aber bereits sehr beliebt war, besonders bei den Londoner Frauen. Er und Alec hatten viel Spaß zusammen gehabt. Aber mit den Jahren hatten sich ihre Wege getrennt.
»Hast du hier in London schon einen Arzt konsultiert?«
Alec schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Brandy.
»Würdest du mir erzählen, wie dein Unfall passiert ist?«
»Ein umstürzender Mast traf mich am Kopf. Als ich aus der Bewußtlosigkeit erwachte, hatte ich nicht die geringste Ahnung, wer ich oder wer die nackte Frau war, die neben mir lag.«
»Ich nehme an, deine Frau.«
»Ja. Sie heißt Genny. Ich würde gern Arielle kennenlernen. Vielleicht fällt mir bei ihrem Anblick wieder ein Stück meiner Vergangenheit ein.«
»Du mußt heute abend mit deiner Frau zu uns zum Essen kommen. Morgen können dann Arielle und ich mit unseren Söhnen euch besuchen und Hallie wiedersehen. Geht es deiner Tochter gut?«
»Leider konnten wir ihr mein Problem nicht verheimlichen. Seitdem macht sie sich mehr Gedanken um mich als um sich selber. Sie ist ein sehr frühreifes kleines Mädchen.«
»Das ist sie immer gewesen«, sagte Burke und erhob sich. »Wenn die Jungs erst älter sind, wird sie sie höchstwahrscheinlich als erste auf Abwege locken.« Burke schwieg einen Augenblick und setzte dann sachlich hinzu: »Meine Söhne heißen Dane und Jason. Dane ist dabei, ein kleiner Junge zu werden, aber Jason ist noch Säugling.« Er drückte Alec die Hand. »Es wird schon wieder werden.«
»Das sagt Hallie auch immer, wenn sie mir die Hand tätschelt.«
Nestas Schwester, dachte Genny. Von ihr würde sie mehr über ihren Ehemann erfahren. Genny war passend gekleidet, da Alec wieder einmal ihre Garderobe ausgesucht hatte. Als er bemerkte, daß sie keinen Schmuck besaß, ging er sofort zu seinem Anwalt, erfuhr von ihm von dem Tresor se ner Familie in der Bank von England und holte dort de Schmuck ab, der sich seit mehr als 200 Jahren im Besitz der Familie Carrick befand. Die ganze Sammlung schüttete er Genny auf den Schoß.
»Meine Güte, was ist denn das?« Diamanten, Rubine un‹ Smaragde glitzerten in ihren Händen.
»Das Zeug sieht aus, als habe es seit vielen, vielen Jahren im Tresor gelegen. Sind irgendwelche Schmuckstücke darunter, die dir gefallen?«
Genny besah sich unbefangen ein Stück nach dem anderen und sagte dann mit unterdrücktem Lachen: »Wenn ich die Sammlung aufmerksam durchgehe, finde ich vielleicht – ich sage, vielleicht – ein Stück, das einen zweiten Blick verdient.«
Gemeinsam suchten sie die Stücke heraus, die nicht neu gefaßt zu werden brauchten. Darunter war ein herrlicher Rubin in einfacher Fassung, der an einer Goldkette hing Alec nahm ihn hoch und ließ ihn gleich wieder fallen, als wäre er glühend heiß. »Er hat Nesta gehört«, sagte er und starrte ihn unverwandt an.
»Er ist sehr schön. Aber woher weißt du das?«
»Ich weiß es einfach. Ich habe ihn für Hallie aufgehoben.«
»Dann wollen wir ihn weiter für Hallie aufheben«, sagte Genny ruhig. »Ich glaube, es ist der größte Rubin, den ich je
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