Sturmwind der Liebe
er sich täglich an mehr erinnere. »Ich glaube, wenn wir zum Landsitz Carrick kommen, fällt ihm alles wieder ein.«
»Ihr werdet also nicht noch eine Weile in London bleiben?« fragte Burke.
»Nein«, sagte Alec. »Es hat großen Ärger gegeben. Man hat mir gesagt, daß das Haus niedergebrannt ist und mein Verwalter ermordet wurde.«
»Großer Gott!«
»Wie schrecklich!« sagte Arielle. »Es war ein großes Landhaus, über zweihundert Jahre alt, mit vielen schönen Möbeln. Hoffentlich konnten einige gerettet werden. Vielleicht kehrt dein Gedächtnis wirklich wieder zurück, wenn du das Haus erblickst, in dem du deine Kindheit verlebt hast, Alec.«
»Oder ich brauche noch einen Schlag auf den Schädel. Meine Frau hat mir schon dann und wann angeboten, daß sie es gern übernehmen würde, mir einen zu versetzen.«
»Erzähl uns, wie ihr euch kennengelernt habt!« sagte Arielle.
»Ich kann es nicht«, sagte Alec.
Daraufhin übernahm Genny den Bericht. In verkürzter Version, ohne Erwähnung des Bordellbesuchs und ihrer Gewohnheit, in Männerkleidung herumzuziehen. Alec verriet durch nichts, daß er sich an irgend etwas erinnerte. Es war entmutigend, daß er sich an Burkes frühere Schwägerin zu erinnern wußte, doch nicht an seine eigene Frau.
Danach überließen die Frauen ihre Männer dem Portwein und den Zigarillos. Als sie allein waren, sagte Arielle sofort zu Genny: »Ich nehme an, du bist schwanger.«
»Ja. Mir wird aber nur noch selten übel. Nur die Überfahrt nach England möchte ich so schnell wie möglich vergessen. Ich wäre unterwegs am liebsten gestorben, aber vorher hätte ich noch gern Alec für das, was er mir angetan hat, umgebracht.«
»Es war alles sehr schwierig für dich, nicht wahr?«
Zu Gennys Überraschung und äußerstem Kummer ließen Arielles freundliche Worte bei ihr die Tränen aufsteigen. Sie wandte den Kopf ab und drängte sie zurück.
»Ich kann mir kaum vorstellen, wie dir zumute sein muß. Mit einem Mann verheiratet zu sein, der sich nicht an dich erinnern kann! Aber es muß sehr hart sein. Doch eins will ich dir sagen. Alec ist ein guter Mensch. Nestas Tod hat ihn sehr schwer getroffen. Es war von seiner Seite aus nicht die große Liebe, aber er mochte sie sehr gern und fühlte sich an ihrem Tod mitschuldig. Von Hallie wollte er zuerst nichts wissen, weil er in ihr die Ursache für Nestas Tod sah. Wir boten ihm an, sie zu uns zu nehmen. In dem Moment kam ihm zu Bewußtsein, daß es unrecht von ihm war. Deshalb behielt er sie bei sich. Ihre Erziehung ist sicherlich bisher höchst ungewöhnlich verlaufen. Aber da Alec sie von Herzen liebt, wird das nach meiner festen Ansicht keine abträglichen Folgen haben. Jetzt hat Hallie ja auch dich, und ich halte dich für eine sehr vernünftige Frau. Kommst du mit deiner neuen Stieftochter gut aus?«
»Sogar sehr gut. Ich glaube, wenn Hallie mich nicht gemocht hätte, hätte er nicht an eine Ehe mit mir gedacht.«
»Wie gut, daß sie nicht eifersüchtig auf dich ist!«
»O nein. Noch vor unserer Hochzeit verlangte sie von uns ein Brüderchen oder Schwesterchen. Vielleicht sah sie in mir ein Mittel zum Zweck.«
»Ich glaube eher, daß sie in dir die Frau sah, die ihren Vater glücklich machen würde.«
Diese Bemerkung ließ Genny stutzen. Dann sagte sie schwärmerisch: »Manchmal wünschte ich, daß ich so schön wäre wie diese Lily, von der du erzählt hast. Ist sie als Frau so schön wie Alec als Mann?«
»So ungefähr, ja. Aber weißt du, Genny, Alec ist sich seines guten Aussehens kaum bewußt. Genauso wenig, wie Lily sich auf ihre Schönheit etwas einbildet. Im übrigen ist Alec willensstark, störrisch wie ein Esel und treu wie Gold.«
»Du müßtest noch hinzusetzen, daß er sehr starre Ansichten über die Rolle der Frau im Leben hat.«
»Wie meinst du das? Welche Rolle?«
»Hör zu, mein Vater war ein hervorragender Schiffsbauer. Von ihm lernte ich, Schiffe zu konstruieren und zu bauen. Doch dann mußte ich erfahren, daß Männer es nicht ertragen, wenn eine Frau auf ihrem Gebiet genauso viel kann wie sie. Warum, weiß ich nicht, aber es ist so. Wenn ich Alec nicht begegnet wäre, wäre ich jetzt Besitzerin einer Werft, die zum Bankrott verdammt sein würde, weil kein Mann mit Selbstachtung mit mir, einer Frau, Geschäfte machen würde.«
»Und Alec nahm die gleiche Haltung ein?«
»Genau. Ich kann dir sagen, wir hatten die heftigsten Auseinandersetzungen. Doch dann geschah sein Unfall. Da stellte ich meine
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