Sturmwind der Liebe
dazu. Aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig.«
Genny hielt den Mund. Als Alec ihr linkes Bein anhob, schloß sie die Augen, zuckte zusammen und schrie auf.
»Entschuldigung. Aber ich muß Ihnen den Stiefel ausziehen. Halten Sie still!«
Genny ballte die Fäuste, preßte sie an die Hüften und hielt den Mund fest geschlossen. Alec zog ihr den Stiefel aus und ließ ihn zu Boden fallen. Dann sah er sie an. Sie war ganz weiß im Gesicht. Er setzte sich zu ihr und sagte leise: »Tut mir leid, wenn ich Ihnen weh tun mußte, Genny. Es ist schon vorbei.«
»Schon gut.«
Sie spürte ihn mit den Fingerspitzen über ihre Wange streichen. Dann zog er ihr die Wollsocke aus. »Da Sie Männerstiefel tragen, wundert es mich nicht, daß Ihre kleinen Füße wie Männerfüße riechen.«
Sie schlug die Augen auf. »Was soll das nun wieder heißen?«
»Einen Augenblick. Ich muß mir erst eine wirklich ekelhafte Antwort ausdenken.« Sie hörte, wie er scharf den Atem einzog. »Das mit Ihrem Knöchel haben Sie wirklich fabelhaft hingekriegt. Er ist angeschwollen wie eine reife Melone.« Er berührte den Knöchel, und sie zischte durch die aufeinandergebissenen Zähne.
»Entschuldigung.« Er stand auf. »Bleiben Sie liegen! Ich hole jetzt kaltes Wasser. Wir müssen den Knöchel kühlen und verbinden. Danach bringe ich Sie nach Hause.«
Als Alec die Kabine verlassen hatte, stemmte sich Genny auf die Ellbogen hoch. Es war die Unterkunft eines Mannes und mit den Büchern und nautischen Geräten, den sauber geordneten Papieren auf dem Schreibtisch und dem Fehlen der geringsten Unordnung ganz nach ihrem Geschmack. Eine Tür führte in die Nachbarkabine. Sie hätte gern gewußt, was da drin war. Dann schaute sie auf ihren Knöchel und zog eine Grimasse. »Ich bin in einem furchtbaren Zustand«, sagte sie laut.
»Ganz recht, aber was konnten Sie denn anders erwarten? Sie beschlossen, Ihre Aufklärung fortzusetzen, kletterten deshalb an Laura Salmons Haus hinauf und guckten ihr ins Schlafzimmer. Da haben Sie dann mich gesehen, Genny. So was mag ich nicht. Was würden Sie denn empfinden, wenn jemand – Mann oder Frau – uns heimlich beobachtete, wie wir uns gerade lieben?«
»Das ist doch absurd!«
»Was ist es?«
»Na, Sie und ich – uns – Blödsinn.«
»Glauben Sie das wirklich?« Er wrang das Handtuch aus und wickelte es ihr um den geschwollenen Knöchel. Sie wußte nicht, was mehr weh tat, ihr Knöchel oder das nasse Handtuch. Doch nach einer Weile setzte ein Gefühl der Taubheit ein, und das war wunderbar.
»Bleiben Sie still liegen! Wir setzen diese Behandlung ungefähr fünfzehn Minuten lang fort. Dann verbinde ich Sie und bringe Sie nach Hause. Leider ist mein Schiffsarzt, Graf Pruitt, nicht da. Er leistet gerade einer Frau Kavaliersdienste, die sehr düstere Ansichten über Baltimore im Busen hegt.«
»Wo hat er denn diese düster gesinnte Frau kennengelernt?«
»Er kennt sie schon längere Zeit. Möchten Sie jetzt etwas Brandy trinken?«
Genny trank den Brandy. Er kam aus Frankreich, war weich und wärmte sämtliche Eingeweide. Grinsend sah Alec zu, wie sie drei große Schlucke nahm.
»Warum grinsen Sie so?«
»Ihretwegen. Sie haben Brandy gekippt, und jetzt möchte ich wetten, daß Sie keine Schmerzen mehr haben.«
»Hab ich auch nicht«, sagte sie, was der Wahrheit entsprach.
»Halten Sie still!« sagte er, wickelte das Handtuch ab und legte ein anderes auf. Dies war noch kälter und noch nasser. Sie sog scharf den Atem ein, sagte aber keinen Mucks.
Dann setzte er sich, legte die Füße übereinander, kreuzte die Arme vor der Brust und sah zu, wie Genny noch mehr Brandy trank. Eine ganze Menge Brandy.
»Haben Sie wirklich mit ihr geschlafen?«
»Das hab ich Ihnen doch schon gesagt. Sie hat mich fix und fertig gemacht. Sie war wirklich gut und sehr, sehr liebevoll.«
»Ich bin auch liebevoll.«
Alec konnte es kaum fassen, daß solche Worte aus Miß Eugenias Mund gekommen waren. Miß Eugenia, die Männerhasserin! Das war sehr interessant. Alec kannte seinen Charakter. Er ging immer bis an die Grenze, im Leben und bei anderen Menschen. Was konnte ihm schon passieren? Schlimmstenfalls konnte sie ihm ein feuchtes, kaltes Handtuch an den Kopf werfen. »Was meinen Sie damit, daß Sie liebevoll seien?«
»Was ich damit meine? Daß ich lebe, um zu lieben und geliebt zu werden. Sie nicht?«
»Doch. Besonders von einer schönen Frau.«
»So meine ich das allerdings nicht …«
»Ich weiß. Als Mann kann
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