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Sturmwind der Liebe

Sturmwind der Liebe

Titel: Sturmwind der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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jetzt war sie eine englische Baroneß! – befahl, die Marssegel an beiden Masten zu reffen. Das war eine gute Idee und kam gerade rechtzeitig. Es wäre bei diesem Wind nicht klug gewesen, die Masten einer zu starken Belastung auszusetzen. Dann hörte er Snugger mit seiner Stentorstimme ihre Befehle weitergeben. Auch die Männer hörten es und beeilten sich, sie auszuführen. Trittsicher kletterten sie in die Takelage hinauf.
    Daniels befeuchtete mit der Zunge den linken Zeigefinger und hielt ihn in die Luft. Dann fluchte er leise.
    Er glaubte nicht mehr, daß die Jungfernreise der
Pegasus
erfolgreich verlaufen würde.
    »Was meinen Sie, Kapitän?« fragte Abel Pitts, Alecs Erster Steuermann.
    Mit gerunzelter Stirn bemühte sich Alec, in der wachsenden Dunkelheit die
Pegasus
auszumachen. »Ich meine, hoffentlich ist es nur ein milder Herbststurm, der rasch wieder einschläft. Sonst gerät die Frau, mit der ich jetzt vier Tage verheiratet bin, in eine ernste Lage.«
    In Wirklichkeit war er zu Tode erschrocken. Mit der Segelschiffahrt im herbstlichen Südatlantik hatte er wenig Erfahrung. Er wußte nur, daß in dieser Jahreszeit Hurrikans aufzutreten pflegten. Er sah sich auf seinem Schiff um. Die
Night Dancer
pflügte durch die kabbeligen Wellen, als wäre alles in schönster Ordnung. Wenn sie tief in ein Wellental tauchte und wenn der Wind an den Seilen zerrte und zurrte, dann klagte und kreischten die geteerten Seile der Takelage wie die Seelen der Verdammten – lauter normale Geräusche, an die Alec gewöhnt war.
    »Wo sind wir jetzt, Abel?«
    »Schätze, wir sind ungefähr 105 Meilen nördlich vom Kap Hatteras.«
    »Das ist das Kap vor dem Pimlaco-Sund? In Nord-Carolina?«
    »Aye,
aye, Käpt’n, und es ist als gefährliches Gewässer bekannt. Die Seeleute nennen es den Friedhof des Atlantiks.«
    »Das weiß meine Frau bestimmt auch und wird auf Ostkurs gehen.«
    »Aye, aye, Käpt’n«, sagte Abel. Er wußte, daß seine Lordschaft alles darum gegeben hätte, auch nur einen flüchtigen Blick auf den Klipper zu erhaschen.
    Abel wandte sich ab und widmete sich wieder seinen Aufgaben. Er ließ die Marssegel teilweise reffen und die Focksegel und die Besansegel einbringen. Der Wind wurde stärker. Es war jetzt fast völlig dunkel. Er hörte, wie Pippin, der Kabinenjunge des Kapitäns, zu dem Zweiten Steuermann Ticknor sagte: »Die Luft ist zum Schneiden dick. Gefällt mir gar nicht.«
    Ticknor prüfte die Spannung des Fockstags. »Mag sein«, sagte er. »Aber der Käpt’n weiß schon, was zu tun ist. Nicht unsere Sache, uns den Kopf darüber zu zerbrechen.«
    »Aber auf dem Klipper ist seine Frau, Tick!«
    »Ja, richtig. Hast du sie mal gesehen?«
    »Ja«, sagte Pippin. »Ich habe sie gut sehen können, als seine Lordschaft sie vor einigen Wochen an Bord gebracht hat.«
    »Hierher? Seine Lordschaft hat sie an Bord unseres Schiffs gebracht? Das hast du mir nie gesagt.«
    »Das ging dich ja auch nichts an. Er hat sie raufgetragen, ja, hat er. Als wäre sie verletzt oder so.«
    »Komisch«, sagte Ticknor. »Weißt du, sie ist doch eine Dame.«
    »Wenn sie keine Dame wäre, hätte seine Lordschaft sie nie geheiratet, du Schwachkopf.«
    »Du weißt schon, was ich meine. Sie ist anders. Sie ist Kapitän des Klippers.«
    »Ja«, sagte Pippin. »Das stimmt, und wir müssen sie besiegen, sonst scheucht uns der Käpt’n noch jahrelang rum.«
    Inzwischen war Alec in die Kajüte gegangen, wo Clegg das Essen auf den Tisch stellte. Geistesabwesend bedankte er sich bei dem Koch und vertiefte sich in die Seekarten um Kap Hatteras. Bei so unberechenbar wechselnden Winden würden sie Glück haben, wenn sie es morgen mittag erreichten. Würde Genny ihr Schiff weit um das Kap herumsteuern, auch wenn sie dadurch Zeit verlor? Selbstverständlich würde sie es tun. Sie war doch nicht dumm.
    Aber sie wollte ihn schlagen, und das war ein Ansporn. Über den Teller gebeugt, auf dem das Stück Rindfleisch unter der Soße kaum zu sehen war, fluchte er gehörig. Dann schob er den Teller beiseite und stand auf. Er hielt es mit seinen Sorgen in der Kabine nicht mehr aus. So blieb er an Deck, bis der peitschende Regen ihn nach unten scheuchte.
    Als er endlich eingeschlafen war, hatte er einen entsetzlichen Traum. Im Traum schrie Genny in höchster Angst mit schriller Stimme nach ihm. Er wollte sich nach ihr umdrehen, aber irgend etwas hielt ihn eisern fest. Er rief sie beim Namen. Und dann sah er sie, nicht ganz, nur ihre Augen, aus denen so

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