Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
schoss der schwarze Peugeot durch die Straßen der französischen Metropole und dann durch die Vororte hinaus aufs Land. Mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen betrachtete Philippe die vorbeihuschenden Ländereien der Duponts. Die Möglichkeit, seinem Freund Claude einen Besuch abzustatten, gab es leider nicht. Seine Anwesenheit in Frankreich war zu geheim, als dass er sich nach dem Ergehen der Familie Dupont erkundigen durfte.
Sein Chauffeur war ein schneidiger Fahrer, und so ließ Philippe ihn bereits eine Stunde später anhalten. Grinsend nahm der Mann die Bezahlung für seine Dienste entgegen.
Philippe schulterte seinen Rucksack und sah sich wachsam um. Links von ihm breitete sich die dunkle Erde frisch gepflügter Äcker aus, dazwischen erhoben sich blühende Obstbäume in den makellos blauen Himmel. Ein Bauernhaus lag inmitten der Idylle. Auf der gegenüberliegenden Seite bot die Landschaft durch vereinzelte Granattrichter, abgeholzte Bäume und die Ruinen zweier verbrannter Häuser ein Bild der Zerstörung, die von einer kurzen, sich schnell wieder verlagernden Schlacht zeugten. Dieser Krieg dauerte inzwischen deutlich länger an, als es der Bevölkerung beider Seiten vorhergesagt worden war.
Philippe sah sich ein weiteres Mal um. Wie erhofft machte er weder bei dem intakten Bauernhof noch in dessen Umfeld eine Person aus, sodass er gemeinsam mit dem Chauffeur einen Schafstall betrat. Dort zerrten sie die inzwischen verdorrten, zur Tarnung angebrachten Äste beiseite und legten sein selbst gebautes Flugzeug frei. Erleichtert, dass es unentdeckt geblieben war, zog Philippe sich seine Fliegermontur über. Dazu gehörte noch immer der inzwischen verwaschene, leicht ausgeleierte Pullover, den Jennifer Howell, die Schwester eines britischen Freundes, ihm in Afrika geschenkt hatte.
Philippe schnallte den Rucksack auf dem zweiten Sitz fest, ehe er sich in den Pilotensitz hievte und den Motor mithilfe des Chauffeurs startete. Gleich darauf sprang der wieder in den Wagen und schoss in einer braunen Staubwolke über den Feldweg in Richtung Paris davon.
In eine Nebelwand aus Abgasen gehüllt lenkte Philippe das Flugzeug den flach abfallenden Hügel hinunter. Er erhöhte die Geschwindigkeit und sein Eigenbau hob gehorsam ab, ehe er die aufgewühlte Erde des einstigen Schlachtfelds erreicht hatte.
Von oben betrachtete der Pilot den geschundenen Landstrich. Vereinzelt zeigte sich frisches Grün zwischen den notdürftig angelegten Befestigungen und entlang der Einschlagkrater, in denen nach dem regnerischen Frühjahr noch Wasser stand. Die von den Armeen in die Landschaft gerissenen Narben würden sich bald wieder schließen. Doch wie war das in den Gegenden, in die die Soldaten inzwischen ein wahres Labyrinth an Laufgräben, Schützengräben und Unterständen gebuddelt hatten? Sicher würde auch dort die Erde in Friedenszeiten wieder zum Leben erwachen, aber Philippe nahm an, dass die Spuren des Krieges noch über viele Generationen hinweg gut sichtbar erhalten bleiben würden.
»Gut so«, murmelte er vor sich hin. Diese Narben konnten als warnendes Mahnmal dazu dienen, was Menschen einander anzutun fähig waren.
Während sich östlich von ihm neue Regenwolken zusammenballten, flog er durch gleißenden Sonnenschein und stieg immer höher hinauf. Er behielt den Horizont aufmerksam im Auge, weshalb er sie frühzeitig auf sich zukommen sah: zwei französische Eindecker! Sie stießen von unten herauf und schwenkten in seine Richtung. Trotz der in dieser Höhe herrschenden eisigen Kälte breiteten sich Hitzewellen in seinem Körper aus.
Die sich schnell drehenden Flugzeugpropeller lagen wie zwei graue Scheiben vor ihm. Zumindest einige Flugzeuge der Aéronautique Militaire verfügten über eine Vorrichtung, die es ihnen erlaubte, durch die zerbrechlichen Propellerflügel zu schießen. Er war demnach nicht vor einem Beschuss gefeit, wenn er frontal auf sie zuflog.
Philippe baute mit Begeisterung Flugzeuge und eroberte mit ihnen die Lüfte. Noch immer bildete er Leutnants zu Piloten aus, von denen inzwischen die meisten an die Front geschickt und dort früher oder später in lebensgefährliche Luftkämpfe verwickelt wurden. Allerdings hatte er sich nicht dazu durchringen können, Jagdflieger zu werden, und so trug die Maschine, die eigentlich Claude gehörte, keine Bewaffnung mit sich. Ob das Fehlen eines M G s die französischen Flieger davon abhalten würde, das Feuer auf ihn zu eröffnen?
Mit gleichbleibender
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