Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
halbwegs gut, denn im Normalfall hätte er seine Maschine in Brand gesteckt.«
Immelmann nickte. »Anthony muss zusehen, dass er die Maschine in die Finger bekommt. Ich schätze, sie wird nach Berlin gebracht, wenn von dort sogar eigens ein Pilot nach Frankreich geschickt wurde, um das Geheimnis dieser Waffe zu ergründen.« Der junge Mann erhob sich, bedeutete Philippe jedoch sitzen zu bleiben. »Ich sorge dafür, dass Sie eine Mahlzeit erhalten, bevor Sie weiterfliegen. In dieser Zeit schaue ich mir Ihren interessanten Eigenentwurf näher an. Sie ist sehr wendig, Ihre Lady. Ein stärkerer Motor und sie könnte ein Schatz sein, nicht wahr? Hat Anthony noch immer Probleme damit, anständige Motoren zugewiesen zu bekommen?«
»Mal gewinnt er, mal verliert er.«
»Er soll uns mal eine richtig flotte Maschine bauen – am besten eine mit eben dieser Vorrichtung, mit der sich durch den Propellerkreis feuern lässt. Das erspart uns das freihändige Fliegen, um schießen zu können, beziehungsweise den Schützen mit an Bord und würde uns wendiger, schneller und flexibler machen.«
»Ich richte es ihm aus, Immelmann!« Philippe lehnte sich in dem knarzenden Korbstuhl zurück und streckte die Beine unter dem Tisch aus. Ein lauter werdendes Brummen verriet das Nahen weiterer Flugzeuge, die bald am Himmel auftauchten, zwischen den baumbestandenen Hügeln abtauchten und nacheinander zur Landung ansetzten. Nachdem der Motorenlärm sich gelegt hatte, blieben nur das Rauschen der Bäume, ein paar verhaltene Stimmen aus den Zelten und das friedliche Zwitschern der Vögel, gelegentlich unterbrochen von einem lustigen Schnarchlaut des Piloten in der Hängematte.
Die vier Fliegerleutnants, die soeben gelandet waren, schlenderten herbei, begrüßten Philippe wie einen der Ihren und ließen sich am benachbarten Tisch auf die Stühle fallen, um erst einmal ihren Durst zu löschen. Ihre Stimmung war gelöst; sie flachsten miteinander, wobei sie über ein paar britische Piloten herzogen, die sich offenbar zum Ärgern zur Verfügung gestellt hatten. Philippe gewann den Eindruck, als erlebten diese Luftkutscher den Krieg als ein einziges vergnügliches Abenteuer. Vermutlich würde er gut zu ihnen passen, sinnierte er. Mit einem Blick auf die aufgesetzten M G s an ihren Flugzeugen revidierte er seine Überlegung jedoch. Er war nicht bereit, schon wieder für den deutschen Kaiser Menschen zu töten.
Immelmann kehrte mit einem französisch sprechenden Koch zurück und ließ Philippe ein Drei-Gänge-Menü auftischen. »Genießen Sie das Essen, Meindorff. Die Franzosen haben ein paar erstklassige Piloten, aber auch ausgezeichnete Köche! Und wenn Sie genug davon haben, die Flugzeuge nur zu bauen und stattdessen selbst fliegen wollen, melden Sie sich bei mir. Einen Luftakrobaten wie Sie können wir immer gebrauchen!« Mit diesen Worten nickte Immelmann ihm ernst zu. Er setzte sich hinüber zu seinen Kollegen, um mit ihnen zu fachsimpeln, und ließ Philippe in Ruhe seine reichhaltige Mahlzeit einnehmen.
Kapitel 34
Petrograd, Russland,
April 1915
»Alex! Alex!« Anki stürmte in die Unterkünfte der niederen Angestellten und rief immer wieder nach dem Kutscher. Während im vorderen Teil des Hauses große Fenster für lichtdurchflutete Räume sorgten, wirkten der Flur und die von ihm abgehenden Zimmer in diesem Teil dunkel und bedrückend eng. Wieder einmal wünschte sie sich verzweifelt, die Familie Chabenski hätte sich einen Telefonanschluss zugelegt.
Endlich trat der Kutscher aus einem Aufenthaltsraum am Ende des Flurs. Als er erkannte, wer ihn rief, eilte er Anki entgegen. »Anki, ist etwas passiert?«, rief er und ergriff die heftig atmende junge Frau an beiden Oberarmen.
»Du musst einen Arzt für die Fürstin holen, schnell!«
»Das Kind?«
Anki zitterte so sehr, dass sie nur ein Nicken zustande brachte. Seit Stunden lag Fürstin Chabenski in den Wehen, und obwohl dies ihr viertes Kind war, war die herbeigerufene Hebamme nicht zufrieden mit dem Fortgang der Geburt. Inzwischen war die Schwiegermutter der Fürstin eingetroffen und übernahm mit nahezu militärischem Tonfall das Regime. Sie bestand darauf, dass Dr. Botkin gerufen wurde. Anki hatte ihr vergeblich zu erklären versucht, dass dieser sicher in Zsarskoje Selo weilte. Schließlich war das Kindermädchen mit den Worten, sie solle gefälligst einen guten Arzt herbeischaffen, davongescheucht worden.
»Ich mache mich auf den Weg«, versicherte Alex ihr, drehte sie an den
Weitere Kostenlose Bücher