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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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verloren aussah.
    Die Fürstin schenkte ihr ein schwaches Lächeln. Anki verstand es als Einladung, näher zu treten und sich auf den Stuhl zwischen der Kinderwiege, in der das Neugeborene schlief, und das Bett zu setzen. »Sie haben eine bezaubernde Tochter, Hoheit.«
    »Danke, Fräulein Anki«, flüsterte die Frau und bewegte dabei kaum den Mund. Sie klang erschreckend schwach. »Sie soll Jenja heißen. Jenja Katharina Elisabeth Anna Iljichna. Ich hoffe, es gibt Herzogin Bobow ein wenig Trost, dass ich mein Kind nach ihrer vermissten Tochter benenne.«
    Anki presste die Lippen zusammen. Für Fürstin Chabenski hatten alle die Veränderungen, die in der vergangenen Nacht die Adelskreise erschüttert hatten, keine Wichtigkeit mehr. »Jenja, ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen«, brachte sie schließlich heraus und blinzelte ein paar Tränen fort.
    »Anki?«
    Die Angesprochene atmete tief durch und blickte die Frau im Bett aufmerksam an.
    »Sie sind ein Geschenk des Himmels für meine Kinder. Sie formen sie zu wunderbaren Menschen, Ihr Einfluss tut ihnen gut.« Die Frau stockte, atemlos und zu schwach, um die Augen offen zu halten. »Sie brauchen Ihre Liebe. Bitte bleiben Sie bei ihnen, zumindest bis Fürst Chabenski zurückkehrt.«
    »Hoheit …«
    »Aber vermutlich werden Sie das ohnehin tun, da Sie vor Kriegsende nicht weg können.« Die Fürstin brach erneut ab. Ihre farblose Stimme wurde noch leiser, als sie fortfuhr: »Es tut mir leid, dass Ihr lieber Dr. Busch so weit fort ist. Er wird Sie nach dem Krieg finden. Bis dahin, bitte …«
    Anki sah die Sorge und den Schmerz in Fürstin Chabenskis Gesicht. Als die Frau sich mühsam zwang, ihre Augen zu öffnen, um die Njanja anzusehen, lag darin ein unübersehbares Flehen. Die Niederländerin legte ihre Hand auf die kalten Finger der Adeligen. Sie konnte gar nicht anders, als ihr zu versprechen, ihre vier Töchter nicht alleinzulassen.
    »Bitte!«, wiederholte die sterbende Frau und zwei Tränen lösten sich aus ihren Augen, deren Farbe an die gefrorene Neva erinnerte.
    »Ich bleibe bei Ihren Mädchen, Hoheit. Ich kümmere mich um sie, bis …« Die Worte blieben ihr im Hals stecken, schließlich wusste sie nicht, woran sie das Ende ihrer Fürsorge für die Mädchen festmachen sollte, denn Fürst Chabenski würde nicht aus dem Krieg zurückkehren.
    »Das macht mich froh«, hauchte die Frau, zog langsam ihre Hand unter Ankis hervor und legte sie auf diese. »Bitte, Anki, sagen Sie Oksana zu mir. Wie ein Familienmitglied. Und ich möchte mit meiner Schwiegermutter sprechen. Sie muss wissen, dass Sie zur Familie gehören.« Ihre Worte hatten wieder etwas mehr Kraft. Fürstin Chabenski schien sich gegen den Akt des Sterbens aufzubäumen, wollte den letzten Vorhang nicht schon fallen lassen. Für einen Moment wog Anki ab, ob Oksana wohl kämpfen und überleben würde, wenn sie ihr sagte, dass auch der Vater der Kinder nicht mehr am Leben war. Gab es noch eine Möglichkeit, diese Frau auf der Bühne des Lebens zu halten?
    »Ich habe es gehört, Kind«, sagte eine Stimme von der Tür her und ließ Anki erschrocken zusammenzucken. Vom Gesicht der Sterbenden verschwand der gehetzte Ausdruck. »Sag es«, flüsterte sie Anki zu.
    »Ich werde dich sehr vermissen, Oksana Andrejewna«, zwang Anki sich zu sagen, auch wenn sie sich dabei schrecklich unwohl fühlte. Ein Lächeln belohnte ihren Mut. Dann schloss die Frau die Augen, und Anki machte eilig der älteren Fürstin Chabenski Platz.
    Taumelnd verließ sie den Raum und sank förmlich gegen die Galeriebrüstung. Ihr Blick fing die schräg einfallenden, goldenen Sonnenstrahlen ein, die Licht und Schatten in den Ballsaal warfen. Obwohl die Verantwortung, die sie soeben übernommen hatte, sie annähernd erdrücken wollte und ihr den Atem raubte, wusste sie doch, dass sie richtig gehandelt hatte – ja gar nicht anders hätte handeln können.
    »Hilf mir!«, flüsterte sie ein Gebet in dem Wissen, dass sie von Gott jeden Tag genau so viel Kraft bekommen würde, wie sie brauchte.
    Eine Hand legte sich leicht auf ihre Schulter. Erstaunt wandte Anki den Kopf. Die Mutter von Oberst Chabenski würde im Normalfall nie eine Angestellte berühren. Verleiteten Oksanas Worte sie dazu, diese Regel zu brechen?
    »Oksana ist tot, Njanja Anki. Sie haben ihr in ihren letzten Minuten eine große Last abgenommen, und dafür danke ich Ihnen von Herzen«, sagte sie erstaunlich sanft. »Und sie hat recht, was ihre Töchter

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