Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
netter Kerl, der ihm große Bewunderung entgegenbrachte und respektvoll auf seine »Verlobte« aufpassen würde.
Philippe unterdrückte die aufkeimende Belustigung, als er an ihr nächstes Aufeinandertreffen dachte. Vermutlich hatte er sie mit seiner Finte gegen sich aufgebracht. Spätestens kurz vor ihrem Weiterflug würde er ihren Ärger zu spüren bekommen. Aber das war immer noch besser, als wenn die Kameraden über das Mädchen herfielen wie Ameisen über ein Zuckerstück.
Belustigt beobachtete er den Pulk Männer, der dicht gedrängt Demy und Ernst folgte. Dieser Anblick bestätigte ihm, dass seine Vorsichtsmaßnahme mit der vorgespielten Verlobung richtig gewesen war. In diesem Augenblick trat Demy zu der Albatros BII , einem zweisitzigen Beobachtungs- und Schulungsflugzeug, und strich mit der Hand über dessen Rumpf. Die fast zärtliche Geste ließ ihn grübelnd die Augen zukneifen. Dieses Mädchen verwirrte ihn. Mal zeigte sie sich widerborstig, im nächsten Moment freundlich und zuvorkommend, um dann plötzlich einen heiteren, frechen Tonfall anzuschlagen. Ihre Stimmungsschwankungen, gemischt mit seinem Hintergrundwissen über ihren Vater, den Betrug mit ihrem Alter und diese seltsame Begegnung zwischen ihr und Karl Roth steigerten sein Interesse, aber auch sein Misstrauen ihr gegenüber. Sie wirkte wie eine geheimnisvolle Fabelgestalt; unwirklich, widersprüchlich und doch anziehend zugleich, wobei in ihm unweigerlich die Frage aufkeimte, wer sie wirklich war.
Inzwischen fuhr Ernst mit einem als Armeefahrzeug gekennzeichneten Automobil vor und Bruno hielt Demy galant die Tür auf. Er und acht andere Männer drängten sich in den Fond, einer setzte sich als Kühlerfigur auf die Motorhaube, einer hatte das Nachsehen und blieb zurück.
Missbilligend schnalzte Philippe mit der Zunge. Er ließ Demy nicht gern aus den Augen; wichtiger war es momentan jedoch, Leutnant Diercke zu beobachten, da dieser noch immer interessiert um Claudes Flugzeug herumstrich. An den dringend benötigten Schlaf war demnach nicht zu denken.
Kapitel 7
Berlin, Deutsches Reich,
August 1914
Stürmisch warf sich Lina in Antons Arme. Seit ein paar Minuten waren sie verheiratet, und sie fand es schlichtweg herrlich!
Ihr Ehemann drückte sie an sich, gleichzeitig begann er, ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken und ließ sich auch durch das missbilligende Räuspern einer Dame hinter ihnen nicht davon abbringen.
Lina kicherte, löste sich energisch von ihm und ergriff seine Hand. »Komm, wir schauen kurz bei Margarete vorbei. Ich muss ihr unbedingt von unserer Trauung erzählen. Gestern sagte sie, sie sei heute bei ihrer Familie. Demy, das abenteuerlustige Ding, ist ja immer noch nicht nach Berlin zurückgekehrt.«
Anton folgte ihr ohne Widerworte, wohl wissend, dass es besser war, sie nicht aufzuhalten, kannte er doch ihren Mitteilungsdrang. Allerdings ahnte Lina, dass er über Demys Abwesenheit nicht unglücklich war, blieben ihnen doch nur ein paar Stunden, bis er nach Döberitz aufbrechen musste. Da die Straßen Berlins noch immer hoffnungslos verstopft waren und selbst die elektrische Groschenbahn nur eingeschränkt fuhr, spazierten sie zu Fuß in Richtung Kurfürstendamm. Die frischgebackene Ehefrau fühlte sich großartig. Beschwingt ließ sie ihren cremefarbenen Rock mit dem modischen Seitenschlitzen um ihre Beine wirbeln. Was sie sich so lange erträumt hatte, war in Erfüllung gegangen: Anton liebte sie und hatte sie geheiratet! Die Euphorie der ersten Kriegstage riss auch Lina wie auf einer Welle mit sich. Sie lächelte und winkte den vorbeimarschierenden oder -reitenden Brigaden fröhlich zu.
Vor dem Haus der Pfisters angekommen sprang sie übermütig die Stufen zur Eingangstür hinauf und läutete Sturm. Eine Bedienstete öffnete und wich erschrocken zurück, als Lina mit Anton im Schlepptau an ihr vorbeiwirbelte und die Treppe hinaufstürmte. Mehrmals rief Lina Margaretes Namen. Ein Ruf aus dem Esszimmer der Familie verriet ihr, wohin sie sich wenden musste, um die Gesuchte zu finden.
Lina stieß die nur angelehnte Tür auf und trat zu dem langgezogenen Tisch, auf dessen weißer Spitzentischdecke nur ein einziges zerknittertes Papier lag. Margaretes Mutter nickte ihr grüßend zu und zog sich in das angrenzende Wohnzimmer zurück, doch Lina, berauscht durch ihr Glück, bemerkte gar nicht, dass dieses Verhalten eigentümlich war. Ihre Freundin saß allein am Tisch und sah Lina erstaunt und ernst entgegen.
»Margarete,
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