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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Raum. Wenig später betrat sie den Speisesaal, in dem ein spätabendlicher Imbiss vorbereitet worden war. Sie nahm ein Tablett von der Anrichte, stellte Tassen, Teller, dazu den Tee und die süßen Stückchen darauf und trug alles in den Weißen Salon hinauf.
    »Wir nehmen unseren Abendtee heute hier ein?«, fragte Jelena verwundert.
    »Genau hier! Auf dem Boden!«
    »Wie die Chinesen! Weißt du noch, Jelena, wie Vater uns erzählte, dass sie an niedrigen Tischen auf dem Boden sitzen?«
    »Dann ist das Tablett jetzt unser Tisch«, entschied Jelena und wollte das silberne Oval an sich ziehen, was ihr aufgrund ihres eingebundenen Arms jedoch nicht gelang.
    »Warte bitte, ich reiche dir deinen Tee«, bat Anki, schenkte die dampfende Flüssigkeit in die filigranen weißen Tassen mit dem Goldrand und reichte je eine den Prinzessinnen und anschließend Robert.
    Während die drei auf dem Boden saßen, an dem Gebäck knabberten, Tee tranken und mit Feuereifer puzzelten, weckte Anki Katja. Sie geleitete das Mädchen zu ihrer Zofe Marfa, damit sie das kränkelnde Kind zu Bett brachte. Im Nachbarraum schlug die massive Standuhr erst zwölf-, daraufhin neunmal.
    Kurz darauf öffnete Fürstin Chabenski die Tür, blieb aber auf der Galerie stehen. Sowohl Anki als auch Herr Busch wollten sich höflich erheben, aber die Dame winkte ab. »Bleiben Sie bitte sitzen. Das ist so ein schönes Bild. Ich möchte es gern noch ein paar Augenblicke genießen. Meine Mädchen sehen so glücklich aus!«
    Anki nahm das Erscheinen der Fürstin zum Anlass, um Jelena davon zu überzeugen, dass sie an der Reihe war, zu Bett zu gehen. Zuerst aber stellten sie rasch das zweite Puzzle fertig. Die Mädchen klatschten begeistert, als das gewaltige Gemälde des mintfarben-weißen Katharinenpalasts von Zarskoje Selo 14 mit seinen goldenen Zwiebeltürmen vollständig vor ihnen lag.
    Fürstin Chabenski brachte sich in Erinnerung, indem sie Anki ansprach: »Fräulein Anki, ich bräuchte für einen Moment Ihre Hilfe.«
    Umgehend erhob Anki sich und trat zu der Fürstin in die nur schwach beleuchtete Galerie hinaus. Das Gesicht der Frau war nun ernst, und sie rang nervös die Hände. Eine ungute Vorahnung ließ Anki frösteln.
    »Sie sind doch noch immer mit Komtess Ljudmila Sergejewna Zoraw befreundet?«
    »Ja, Hoheit.«
    »Die Zoraws und die Bobows haben Boten zu den Anwesen ausgesandt, die, wie auch wir, nicht über einen Telefonanschluss verfügen. Ihre Töchter, Ljudmila Sergejewna und Jevgenia Ivanowna brachen gestern am frühen Abend zu einer der in Mode gekommenen Partys in einen Club auf und sind nicht zurückgekehrt. Bestimmt können Sie sich die Sorge der Eltern ausmalen.«
    »Ljudmila?« Ankis Gedanken überschlugen sich, während sie ihre Hand hob und in einer erschrockenen Geste an ihren Mund führte. Jevgenia hatte Ljudmila vor ein paar Tagen bedrängt, wieder Kontakt zu Rasputin aufzunehmen. Der genaue Inhalt der Unterhaltung war Anki zwar entgangen, doch sie hatte sich ihren Teil zusammengereimt. Falls Ljudmila am Vorabend gemeinsam mit Jevgenia zu einem Club aufgebrochen war, war der Schritt, Rasputin zu treffen, sicher nur ein kleiner gewesen.
    »Wissen Sie vielleicht etwas über ihren Verbleib?« Mit ihrer Frage riss die Fürstin Anki aus ihren Überlegungen.
    Angst um ihre Freundin stieg in ihr auf wie siedendes Wasser. Was mochte am vergangenen Abend geschehen sein? Wie konnten zwei junge Damen aus der aristokratischen Gesellschaftsschicht einfach spurlos verschwinden? Die Unsicherheit darüber, welche Details aus dem Gespräch, das sie nur in Teilen gehört hatte, sie preisgeben sollte, damit sie und Ljudmila nicht noch mehr mit Rasputin in Zusammenhang gebracht wurden, trieb ihr den Schweiß aus den Poren.
    Fürstin Chabenski und ihr Mann hielten nichts von dem Starez; tatsächlich hatte Fürst Chabenski ihr schon vor Jahren deutlich gesagt, dass er sie fortschicken würde, wenn sie Kontakt zu Rasputin aufnehme. Und dann gab es da ja noch die Nachforschungen des Staatssicherheitsdienstes …
    Ankis Gedanken und ihre Fantasie drehten sich wild im Kreis. Sie sah Ljudmila und Jevgenia in einer Umarmung mit Rasputin, Kosaken mit gezückten Waffen griffen die drei an und im Hintergrund hörte sie die Zariza schreien.
    Gewaltsam zwang Anki sich in die Realität zurück, die nicht weniger beunruhigend war. »Entschuldigen Sie bitte, Hoheit. Wie kann ich helfen?«, bot sie an, obwohl sich ihre Knie anfühlten, als wollten sie unter ihr nachgeben.

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