Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
seine frühere Verlobte ihn und seine Familie oft in ihrem bescheidenen Berliner Haus.
»Demnach ist sie nicht verheiratet?«
Hannes grinste seinen Freund aus alten Tagen an. Hörte er da Interesse heraus? »Ja, sie ist noch zu haben. Vielleicht wünscht der Herr Adjutant einmal im Haus Meindorff vorzusprechen?«, frotzelte Hannes.
Mittlerweile war die Sonne über den Hügelkamm im Osten gestiegen und in ihrem Licht sah er den Hauptmann leicht erröten. Das passte zu dem Theodor, den er von früher kannte. Ansonsten gab es keine Gemeinsamkeiten mehr mit dem einst so schüchternen, pickeligen Schwaben. Theodor hatte weitaus schlechtere Startvoraussetzungen gehabt als Hannes, ihn aber nun zumindest im militärischen Rang deutlich übertrumpft.
Ehrlich erfreut schlug er seinem Gesprächspartner auf die breite Schulter. »Es ist schön, dass du dein großes Ziel erreichen konntest.«
»Das Verfolgen eines Ziels eröffnet einem viele Chancen, man lässt aber auch so manche Möglichkeiten ungenutzt am Wegesrand liegen. Bei dir kam die militärische Karriere ins Stocken, bei mir liegt das Privatleben brach.«
»Ich möchte Edith und die Mädchen gegen nichts auf der Welt eintauschen. Allerdings frage ich mich in letzter Zeit immer wieder, ob Demy damals nicht recht hatte. Wäre ich ein wenig geduldiger gewesen und hätte meinem Vater Zeit gelassen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich eine Frau heiraten möchte, die seinen Ansprüchen nicht genügt, wer weiß …?«
»Eine Antwort darauf wirst du nie erhalten«, vermutete Theodor. »Und eigentlich ist es müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Jahre lassen sich nicht zurückdrehen.«
Hannes brummte eine Zustimmung und blickte in Richtung der Festung, von wo die Detonationen der Artilleriegeschosse nun wieder vermehrt zu ihnen drangen. »Demy gegenüber verspüre ich noch immer ein schlechtes Gewissen. In ihrem Alter sollte sie längst verheiratet sein. Aber offenbar hat der Makel, eine verschmähte Braut zu sein, ihr mehr geschadet, als ich damals vermutet hatte«, sagte Hannes und warf seinem Freund einen kurzen Seitenblick zu. Dieser schaute versonnen auf seine glänzenden Stiefel.
»Andererseits hat sie sich ihren wenigen Verehrern gegenüber überaus eigentümlich verhalten.« Bei der Erinnerung an Demys Eskapaden lachte Hannes auf. »Einer der Herren hatte sie auf einen Reitausflug eingeladen. Demy ritt ihn in Grund und Boden. Zu einem zweiten Treffen kam es nie, denn welcher Mann möchte von seiner Angebeteten als der deutlich schlechtere Reiter vorgeführt werden?« Auf Theodors Gesicht zeigte sich ein Schmunzeln, und Hannes fuhr fort: »Edith sagte mir, Demy habe direkt nach dem Reitausflug bei ihr vorbeigeschaut. Sie hatte sich zwar Gesicht und Arme gesäubert, aber ihr Reitdress, übrigens eines, das nicht der gängigen Reitmode für Damen entsprach, wies noch verräterische Schlammspritzer auf.«
»Sie scheint sich auf ihre Art gegen eine zwangsverordnete Vermählung zu wehren. Vielleicht suche ich sie wirklich einmal auf.« Theodors breites Grinsen entging Hannes nicht. Schließlich erhob sich sein Freund und streckte ihm zum Abschied die Rechte entgegen, mit der er ihn auch gleich auf die Füße zog.
»Das solltest du wirklich tun. Ich glaube, sie war bei Ediths und meiner Trauung durchaus angetan von dir. Und dich in der Verwandtschaft zu haben könnte mir gefallen.«
»Demy ist nicht mit dir verwandt«, stellte Theodor richtig.
»Ach, die komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse dieser van-Campen-Mädchen«, schmunzelte Hannes und winkte ab. »Sie ist für mich wie eine kleine Schwester. Eine Schwester des Herzens, sozusagen.«
»Mit einem sehr großherzigen Wesen, wie mir scheint.«
»Ja, Theodor. Demy hat viel für Edith und für mich riskiert. Ich hoffe, sie lässt sich niemals wieder so ausnutzen. Niemand soll ihrem Glück mehr im Wege stehen. Und das darfst du durchaus als eine Warnung verstehen, Herr Hauptmann!«
Theodor blickte ihm ernst in die Augen. »Dafür bin ich nicht der Typ, das solltest du doch noch wissen.«
»Ja, das weiß ich. Es ist gut, dich getroffen zu haben. Und ich freue mich, dass die da oben einen so tüchtigen Adjutanten beschäftigen!«
»Gott mir dir, Hannes!« Theodor wandte sich um und stapfte zwischen den schlafenden Soldaten hindurch, um kurz darauf hinter einer Reihe erschöpfter Pferde aus dem Blick von Hannes zu verschwinden. Den Hufschlag von Theodors Reittier hörte er nicht mehr, da
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