Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
aufgeschreckten Tiere drängten gegen Anki. Diese stieß einen erschrockenen Schrei aus. Vor sich sah sie nur die weit aufgerissenen Augen der Pferde und hörte ihr aufgeregtes Schnauben. Die dunklen, massigen Körper bedrängten sie immer vehementer. Anki war unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Die Tiere würden sie zerquetschen! Oder zertrampeln! Der Fliederzweig entglitt ihrer Hand und fiel zu Boden. Hektisch stampfende Hufe zertraten die Blüten.
Plötzlich umgriff ein starker Arm Anki und schob sie zurück. Mit seiner freien Hand schlug Robert nach dem schwarzen Pferd, das noch immer in ihre Richtung drängte. Es warf sich zur Seite, soweit dies das zweite Kutschpferd neben ihm zuließ.
Anki, die von Robert noch immer rückwärts vor ihm hergeschoben wurde, stolperte über einen losen Pflasterstein. Verzweifelt klammerte sie sich mit beiden Händen an seinem Arm fest. Doch nichts konnte verhindern, dass sie das Gleichgewicht verlor. Sie stürzte und schlug hart mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf.
***
Mühsam, da ihre Lider ihr nicht gehorchen wollten, öffnete Anki die Augen. Ein dumpfer Schmerz in ihrem Kopf ließ sie die Stirn runzeln. Was war geschehen? Weshalb lag sie auf den Pflastersteinen?
Die Erinnerungen kehrten schnell zurück: Sie war gestürzt! Aber wo war das Pferd, das sie bedrängt hatte? Anki wollte sich eilends aufrichten und sehen, ob sie vor dem wuchtigen Tier fliehen musste, doch zwei starke Hände drückten sie an den Schultern zu Boden. Roberts besorgt dreinblickendes Gesicht erschien über ihr. Sein sonst immer sorgfältig frisiertes Haar hing ihm wild in die Stirn.
Anki kämpfte gegen die Versuchung an, die in Roberts Stirn fallenden Strähnen zurückzustreichen. Irritiert darüber und von einem zunehmenden Kopfschmerz übermannt schloss sie die Augen wieder.
»Sehen Sie mich bitte an.« Roberts Worte klangen beinahe wie ein Befehl, was Anki sofort gehorchen ließ. Ganz im Gegensatz zu seiner Stimme zeugten seine braunen Augen von großer Besorgnis. »Wie heißen Sie?«
»Anki van Campen. Mir geht es ganz gut, bis auf die Kopfschmerzen.«
»Noch liegen Sie«, winkte der Medizinstudent knapp ab.
»Das Pferd hat Sie nicht getroffen?«, fragte sie besorgt und erschauerte bei der Erinnerung an den großen Kopf, den massigen Körper und die eisenbeschlagenen Hufe des Zugtieres.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, und die Grübchen in seinen Wangen wirkten eigenartig beruhigend auf sie. »Mir ist nichts geschehen und den Pferden auch nicht. Der Kutscher ist ein bisschen verstört, weil er glaubte, Sie seien unter die Räder gekommen. Allerdings brauste der rücksichtslose Automobilfahrer einfach davon.«
»Meine Schwester schrieb mir, dass in Berlin inzwischen Polizisten zum Regeln des Verkehrs auf den Straßen stehen.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen! Berlin ist neben einer dauerhaften, beinahe größenwahnsinnigen Großbaustelle eine absolut automobilverrückte Stadt.«
»Ich möchte mich aufsetzen«, wagte Anki zu sagen, obwohl die Schmerzen in ihrem Kopf ständig zunahmen. Aber sie konnte ja nicht ewig auf dem Boden liegen und Roberts Grübchen und die freche Haarlocke betrachten, die in seine Stirn fiel.
»Ich stütze Sie. Aber bitte seien Sie ganz behutsam. Falls Ihnen schwindelig wird, legen Sie sich sofort wieder hin.«
Anki spürte seinen Arm unter ihrer Schulter und richtete sich mit seiner Hilfe auf. Erst jetzt bemerkte sie die um sie versammelte Menschenmenge. Männer, Frauen, Kinder und sogar ein paar Soldaten starrten sie, Robert und den aufgeregten Kutscher neugierig an, der sich um seine Pferde kümmerte.
Einem Reflex folgend presste sie ihr Gesicht in Roberts Weste.
»Ist schon gut«, versuchte Robert sie zu beruhigen und drückte sie schützend an sich. Sie ließ es geschehen und fühlte eine wohlige Geborgenheit mit einem Funken prickelnder Aufregung in sich.
»Meine Rösser sind jetzt wieder ganz ruhig. Wenn die junge Dame möchte, könnte ich sie nach Hause fahren«, bot der Kutscher an, dessen Stimme zerknirscht klang.
Anki drehte den Kopf, um an Roberts Arm vorbei einen Blick auf das bärtige Gesicht des Droschkenkutschers zu werfen. Der verbeugte sich in ihre Richtung und meinte: »Entschuldigen Sie bitte den Schrecken, den meine Pferde Ihnen eingejagt haben.«
»Sie triff keine Schuld. Es war dieses Automobil …« Das Sprechen fiel Anki schwer, so penetrant fiel das Dröhnen in ihrem Kopf aus. Widerstrebend löste sie
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