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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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Gefühl erst einmal aufkommt, fallen die Kurse sofort, die Makler werden panisch ihr Geld fordern, und die Schuldner müssen ihre Aktien verkaufen, um ihre Verpflichtungen einlösen zu können. Verkaufen müssen heißt immer verschleudern. Die Kurse fallen weiter, es kommt zu Panikverkäufen, der Dollar stürzt... ah, nicht auszudenken! Ich bin eine vorsichtige Natur, Alex, mir wird hier inzwischen zu hoch gepokert, mir sieht das alles zu glanzvoll aus. Ich glaube an Höhenflüge, aber ich glaube auch an den ganz großen Crash. Und da will ich nicht dabeisein. Das Gebot der Stunde lautet: Aktien abstoßen! Investieren wir lieber in Grundstückskäufe. Alles klar?«
    »Alles klar«, sagte Alex. Callaghan grinste. »Nach diesem Exkurs zurück zu Ihnen. Sie sollten eine Familie gründen. Sie wissen, ich sähe es gern, wenn Sie und Patty heirateten, aber es kann auch ein anderes Mädchen sein. Werden Sie seßhaft - innerlich, meine ich!«
    »Lassen Sie mir Zeit, Callaghan.«
    »Aber Alex, sprachen Sie nicht vorhin vom Älterwerden? Ist Ihnen nicht klar, wie wenig Zeit das Leben jedem von uns läßt?«
    »Sicher zu wenig, das stimmt.«
    »Es gibt da... eine Melancholie in Ihrem Wesen, die ich nicht verstehe. Wissen Sie, was ich glaube? Sie haben Heimweh. Sie sehnen sich nach Deutschland!«
    »Ach was! Ich habe Deutschland den Rücken gekehrt, und zwar für immer.«
    »Aber irgend etwas oder irgend jemand dort hält sie gefesselt. So sehr gefesselt, daß Sie hier nicht mal Ihre Millionen genießen können!«
    »Callaghan - mangelnden Lebensgenuß hat mir wirklich noch niemand vorgeworfen. Im Gegenteil.«
    »Weil Sie den anderen etwas vormachen können. Mir aber nicht. Und wenn Sie hundert phantastische Autos fahren, die teuersten Nachtclubs besuchen und die schönsten Frauen im Arm halten - im Innern berührt es Sie nicht, in Wahrheit bedeutet es Ihnen nicht einmal etwas. Was immer Sie gesucht haben in Ihrem Leben, Sie haben es nicht gefunden.«
    »Haben Sie denn gefunden, was Sie suchten?«
    »Sie weichen mir aus, Alex.«. »Ja.«
    »Na gut!« Callaghan seufzte. »Ich geb's auf. Reden wir eben wieder über Investitionen. Es gibt da ein Hotel in San Francisco, über das ich gerne mit Ihnen gesprochen hätte. Ich finde, wir sollten es kaufen...«

    Benjamin Lavergne saß in Laetitias Salon auf Lulinn und sah so verzweifelt aus, daß es der alten Frau fast das Herz zerriß. Sie neigte sich vor und lächelte aufmunternd. »Nun nimm doch einen Schluck Tee, Benjamin, dann geht es dir besser.«
    »Tee hilft mir nicht. Mir hilft überhaupt nichts mehr. Ich kann an nichts anderes denken als an Felicia. Tag und Nacht, ich schlafe schon nicht mehr. Seit zwei Wochen keine Nachricht mehr von ihr. Im Adlon in Berlin heißt es immer, sie sei gerade ausgegangen. Ich kann sie nicht mehr erreichen.«
    »Wann hast du zuletzt von ihr gehört?«
    »Im Sommer. Aus Paris. Sie hat eine Kiste voller Spielzeug für die Kinder geschickt. Und einen langen Brief. Aber...«
    »Aber das ist nicht dasselbe, als wenn sie hier wäre«, vollendete Laetitia verständnisvoll. Benjamin nickte. Laetitia stand auf und trat ans Fenster. Draußen wirbelte der Herbstwind die Blätter über den Hof, von Westen her zogen dunkelgraue, tiefe Regenwolken heran. »Ich rate dir, Benjamin, mach dich unabhängig von ihr. Sie ist keine Frau, die sich bindet. Sie verschenkt etwas von sich, und dann geht sie weiter. Sie ist ruhelos, und glaub mir, das ist für sie wahrscheinlich schlimmer als für dich.«
    »Was hat sie dazu gemacht?«
    »Gemacht? Es war immer in ihr, denke ich. Ein gewisses Geltungsbedürfnis, Machthunger, aber auch sehr viel beschützende Kraft. Der Hang, sich unglücklich zu verlieben. Der Wunsch, idealistisch, zärtlich, gut zu sein, der immer mit ihrem Realitätssinn, ihrer Eigenliebe und ihrer Ironie im Gefecht lag. Eine widersprüchliche Frau, die vielleicht einfach kein gradliniges Leben führen kann.«
    Benjamin hatte nach der Teetasse gegriffen, stellte sie aber nun klirrend wieder ab. »Sie tut das auf Kosten anderer, Laetitia!«
    Laetitias Miene wurde kühl. Benjamin war kein Mann, der in ihren Augen etwas zählte; sie fand ihn wehleidig, weich und zimperlich. Er hatte Kummer, das verstand sie, aber er brauchte nicht mit dieser brechenden Stimme zu reden. Die Art, wie er dasaß, so grau und gebeugt, die treuen blauen Augen flehend auf sie gerichtet, reizte sie.
    Sei nicht ungerecht, Laetitia! rief sie sich zur Ordnung, und plötzlich dachte sie:

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