Sturmzeit
Gesicht, und ihre schwarzen Brauen hoben sich gespenstisch dunkel vom Weiß ihrer Haut ab.
Der Leutnant grinste. »Wen haben wir denn da?« fragte er in gutem Deutsch. »Schönes Kind, was tun Sie denn hier so allein?«
Die anderen wurden aufmerksam und kamen heran. Sie blieben unten stehen, eine Uniform an der anderen, und lachende, sonnenverbrannte Gesichter sahen zu Felicia hinauf. Sie sah sie an und wurde etwas ruhiger. Sie wußte nicht sicher,was sie erwartet hatte - irgendwie hatte sie stets die Vorstellung von einer Horde schlitzäugiger Mongolen gehabt und sich schaudernd der berüchtigten Grausamkeiten eines Dschinghis Khan entsonnen. Wie albern, dachte sie jetzt, so furchtbar sind sie gar nicht.
»Ich bin ganz und gar nicht allein«, sagte sie schnippisch,
»und bitte, Sie können hier nicht herauf!«
Die Männer blickten sie überrascht an. Dann mußte der Leutnant lachen. »Habt ihr gehört?« wandte er sich an die anderen. »Wir dürfen nicht hinauf! Die junge Dame hat es uns soeben verboten!«
Einer erwiderte etwas in russisch, und alle lachten grölend. Der Leutnant wandte sich wieder Felicia zu; er hatte sein rechtes Bein eine Stufe höher gestellt und stützte sich lässig darauf. Seine dunklen Augen blitzten. »Schätzchen«, sagte er, »was, wenn wir doch hinaufwollen?«
Felicia meinte, einen ersten Funken von Erregung in seiner Stimme zu hören, und das ängstigte sie. Sie begriff, daß sie in ernste Bedrängnis geraten könnte, bemühte sich aber, kühl zu bleiben. »Mein Großvater liegt im Sterben«, sagte sie, »und er soll sich nicht beunruhigen.«
Ihre Ruhe beeindruckte die Männer. Der Leutnant schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid. Meine Leute müssen das ganze Haus durchsuchen. Ich verspreche aber, daß sie sich vollkommen zivilisiert benehmen werden.« Er nickte einigen Männern zu, und schon liefen sie die Treppe hinauf. Felicia blieb unbeweglich stehen. Der Leutnant betrachtete sie interessiert, das schmale Gesicht, den spitz in die Stirn verlaufenden Haaransatz, die blaßgrauen Augen, in denen nicht die Spur eines Entgegenkommens, einer leisen Bitte um Milde stand.
Er verfolgte die weiche Linie ihres Mundes. Eine richtige Dame, dachte er, doch dann, während sein Blick abwärts glitt,mußte er lachen.
Felicia folgte seinen Augen irritiert und zuckte zusammen. Lieber Himmel, sie hatte völlig vergessen, ihre Schuhe wieder anzuziehen! Unter dem wadenlangen, geblümten Sommerkleid sahen ihre nackten Beine hervor, zerkratzt von Disteln und Dornen und voller Erde und Staub. Errötend hob sie den Kopf. Wie ärgerlich, mit nackten und restlos verdreckten Füßen vor den Soldaten zu erscheinen.
»Nun, wir werden nicht weiter stören«, versicherte der Leutnant, »wir ruhen uns nur etwas aus und füllen unseren Proviant auf. Ihr habt keine Pferde mehr hier?«
»Nein. Die wurden alle von unseren Truppen konfisziert.«
Der Leutnant zuckte mit den Schultern. »Das macht nichts. Ohnehin... es dauert keine zwei Wochen mehr, und wir ziehen durch das Brandenburger Tor!«
Durch das Brandenburger Tor! Felicia wußte nicht, welcher Teufel sie ritt, aber ehe sie richtig nachdenken konnte, hörte sie sich schon mit klarer Stimme sagen: »Reden Sie doch nicht solchen Unsinn!«
Gleich darauf erschrak sie heftig. Wie konnte sie denn so etwas sagen! Der Leutnant, der sich schon abgewandt hatte, drehte sich langsam zu ihr um. Aus seinen Augen war das Lächeln gewichen. Die übrigen Männer hielten den Atem an. Leise fragte er: »Sagen Sie, gibt es irgend etwas, wovor Sie sich fürchten?«
Felicia hatte weiche Knie und das Gefühl, die Treppe schwanke. Mit halbwegs fester Stimme erwiderte sie: »Nein, ich fürchte mich nie.«
Ein Anflug von Bewunderung glitt über das Gesicht des Mannes. »Sie lügen, Madame. Aber Sie sind in der Tat sehr tapfer.« Noch einmal umfaßte sein Blick ihre Gestalt. »Hätte ich Sie unter anderen Umständen getroffen, wäre ich mit Ihnen tanzen gegangen.« Er drehte sich zu den Männern um, nunwieder ganz militärisch streng. In befehlendem Ton sagte er etwas auf russisch, und gleich kam Bewegung in die Soldaten. Sie fuhren fort, Proviant aus der Küche zu holen und zu verpacken; ihre Pferde zu tränken und sich selber rasch ein paar Hände voll Wasser über die Gesichter zu schütten. Der Trupp, der das Haus durchsucht hatte, tauchte mit leeren Händen wieder in der Halle auf. Schon nach kurzer Zeit waren sie fertig, packten ihre Gewehre und verließen das
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