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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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fest.
    »Es gäbe eine Möglichkeit, ein bißchen Geld zu sammeln das wir dann dem Roten Kreuz zugute kommen lassen - außerdem macht es Spaß. Und es verbessert unsere Sprache. Viele Leute spielen dieses Spiel schon.«
    »Und was ist es?«
    »Ist euch einmal aufgefallen, wie viele ausländische Worte wir in unserem Sprachschatz haben? Besonders französische. Gedankenlos sagen wir Pompadour, wenn wir ein Täschchen meinen, oder Portemonnaie, wenn wir auch Geldbörse sagen könnten. In diesen Zeiten erscheint mir das äußerst unpatriotisch.«
    »Da hast du eigentlich recht«, meinte Lydia nachdenklich. Auguste runzelte die Stirn. Sie setzte voraus, daß sie recht hatte.
    »Die Menschen, die diese Sprache sprechen«, fuhr sie fort,»schießen auf unsere Männer, Brüder und Söhne. Als wahre Deutsche sollten wir uns dem verderblichen Einfluß ihrer Sprache entziehen. Ich schlage daher vor, wer immer in diesem Kreis in Zukunft ein französisches oder englisches Wort benutzt, muß zehn Pfennig bezahlen. Und wenn genug Geld beisammen ist, machen wir eine nützliche Anschaffung für das Rote Kreuz.«
    Der Vorschlag wurde begeistert begrüßt. Auguste konnte sich wieder einmal im allgemeinen Lob sonnen. Kat brachte eine große Tonschüssel, die in die Mitte des Tisches gestellt wurde und für das Bußgeld bestimmt war. Glücklich über den neuen Spaß und bestrebt, rasch ein paar klingende Münzen zusammenzubekommen, ließ sich in der nächsten Stunde jeder so viele französische Wörter einfallen wie nie zuvor. »Pardon«, sagte Clarisse, als ihr eine Stricknadel auf den Boden fiel, und gleich darauf schrie sie mit gespieltem Schreck: »O nein! Wiedumm von mir! Entschuldigung, wollte ich natürlich sagen!«
    Linda, mit ihrer Schwangerschaftsübelkeit kämpfend, verlangte piepsend, zur Chaiselongue in die Ecke geführt zu werden, was einen entzückten Trubel auslöste. »Sofa, Kind, Sofa!« rief Clara Carvelli, »zehn Pfennig bitte!«
    Und Lydia stürzte die Runde in Ratlosigkeit, indem sie sich erkundigte, ob es erlaubt sei, etwas als »burgunderfarben« zu bezeichnen, da doch Burgund nicht eigentlich ein französisches Wort sei, jedoch...
    Felicia stützte den Kopf in die Hände und blickte zum Fenster hinaus. Heimweh und Langeweile überfielen sie mit solcher Heftigkeit, daß sie am liebsten geweint hätte, aber sie verbiß es sich, weil sie sich den Fragen der anderen nicht aussetzen wollte. Sie konnte die Begeisterung ihrer Freundinnen nicht teilen, sie würde es nie können. Ihr Herz erbebte nicht, wenn sie an Deutschland dachte, daher konnte es auch nicht im Zorn erzittern, wenn ein französisches Wort fiel. Es schmerzte höchstens, weil sie an Onkel Leo denken mußte, der Frankreich und die Franzosen liebte und sie immer »ma petite« oder »mon amour« gerufen hatte.
    »Nun zur Altmaterialsammlung«, sagte Auguste, »ich habe mit der Vorsitzenden der hiesigen Zweigstelle des Roten Kreuzes einen jour fix vereinbart, an dem wir... oh!«
    Lautes Stimmengewirr hob an. »Aber Auguste! Nicht jour fix: ein regelmäßiges Treffen höchstens.«
    »Zehn Pfennig, meine Dame!«
    Sara schwenkte die Schüssel, in der es schon verheißungsvoll klirrte. »Wir haben schon einiges beisammen. Bis jetzt hat nur Felicia nichts gespendet!«
    »Ich habe mich eben nicht verplappert.«
    »Ja, weil du fast gar nichts gesagt hast«, meinte Linda, »komm, du mußt auch etwas geben! Sag ein französisches Wort.«
    »Ich weiß keines...«
    »Irgendeines. Was dir gerade einfällt.«
    Felicia betrachtete den grauen Strickstrumpf in ihrem Schoß, stahl sich mit den Augen einen flimmernden Sonnenstrahl von draußen, kehrte in das dunkle Zimmer zurück.
    »Tristesse«, sagte sie und zückte ihren Geldbeutel.

    »Christian hat sein Fähnrichexamen mit Auszeichnung bestanden«, schrieb Elsa. Ihre sonst klare, flüssige Schrift erschien zittrig und verschwommen. »Ich wünschte, er hätte nie eine Kadettenschule von innen gesehen! Noch ein paar Übungen und er geht an die Front. Nach Frankreich...«
    Hier verwischte sich die schwarze Tinte zu einem großen Fleck. Johannes faltete das zerknitterte, schmutzige Papier zusammen und schob es in eine Tasche seiner Uniform. Wie jeden Brief aus der Heimat hatte er auch diesen, seitdem er angekommen war, wenigstens ein dutzendmal gelesen und dabei Bilder und Erinnerungen an daheim heraufbeschworen: Er konnte den Sekretär sehen, an dem Elsa ihre Briefe schrieb, die topasfarbenen Vorhänge vor den Fenstern,

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