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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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Geheimnisse gehabt. »Linda hat brieflich ein paar Andeutungen gemacht. Es muß zwischen Alex und Felicia einen großen Streit gegeben haben, und dieser Streit war wohl auch der Grund, weshalb Felicia plötzlich auf den Einfall kam, Schwester zu werden. Sie wollte fort von Alex, war aber offenbar zu stolz, zu mir zu kommen.«
    Leo mußte lachen. »Um ehrlich zu sein, ich konnte mir von Anfang an nicht recht vorstellen, daß Felicia plötzlich die Ideale einer Florence Nightingale in sich entdeckt haben sollte. Das ist es also! Sie will Lombard ein wenig schmoren lassen und tarnt es mit der guten Sache! Ein ausgekochtes kleines Luder, deine Tochter!«
    »Leo!«
    »Verzeihung. Ist eigentlich Linda noch in München?«
    »Ja. Ich möchte wirklich wissen... ich meine, findest du es schicklich, daß sie dort mit Alex allein ist?«
    »Ganz allein werden sie nicht sein.«
    »Nein... aber Felicia ist jedenfalls nicht da, und Kat auch nicht. Und Sara ist in Frankreich.«
    »Die gute Sara...« Leo griff nach seinem Mantel und hängte ihn sich um die Schultern. Über dem Pelzkragen sah sein Gesicht aus wie das eines alten, traurigen Teddybären. »Elsa, ich muß gehen. Mein Zug geht in einer Stunde. Ich sage dir, ichkönnte Falkenhayn...«
    »Pssst! Er ist der Chef des Generalstabs!«
    »Eben. Wozu braucht man so etwas? Wozu braucht man den Krieg? Elsa, meine Liebste«, er umarmte sie heftig, fast grob, was über seine Rührung hinwegtäuschen sollte, »ich habe so viele Frauen geliebt, aber von allen Frauen auf der Welt liebe ich dich am meisten. Meine große Schwester!«
    Elsa biß sich auf die Lippen. Ihr Gesicht war starr.
    »Leo, wenn du Jo triffst, oder Christian...«
    »Klar, ich grüße sie von dir! In welchem Schlamassel stecken die noch augenblicklich?«
    Elsa bewegte vorsichtig ihre kalten Füße. Wie mußte es sein bei dieser Kälte in einem Schützengraben... Ihre Stimme zitterte.
    »Verdun«, sagte sie.
    Leo lächelte ermunternd. »Verdun? Keine Angst, Elsa. Wahrscheinlich... wahrscheinlich wird das keine besonders schlimme Sache!«

    Die Granate schlug direkt neben Christian ein, und ihr Krachen war so laut, daß er fest davon überzeugt war, er werde jetzt sterben.
    Diesmal bin ich dran, schoß es ihm durch den Kopf. Einen Augenblick lang verwunderte ihn der Gedanke, daß er sich gar nicht fürchtete; es war, als sei die grenzenlose Angst vor dem Moment des Todes schlimmer gewesen als der Tod selber. In dem tobenden Inferno aus fliegenden Kugeln, krachenden Granaten, Feuer, Rauch, Schlamm und Blut schien es, als sei der Tod weniger ein Feind als ein Erlöser, und mehr als einmal in den vergangenen Tagen, da er im Schützengraben lag und mit zitternden Händen sein Gewehr nachlud, hatte er sich sekundenlang der Vorstellung hingegeben, das zähe, atemlose, angstgepeitschte Ringen um jeden Fußbreit Boden, jedenHerzschlag Leben aufzugeben, dem Tod das Feld zu überlassen. In seiner völligen Erschöpfung war es diese Vorstellung gewesen, die ihn Stunde um Stunde ausharren ließ. Ich kann jederzeit sterben. Wenn ich nicht mehr will, werde ich einfach sterben. Ich muß nicht aushalten. Ich werde jetzt aushalten, weil ich es möchte, aber ich habe es in der Hand zu sterben, und ich werde es tun, wenn es zu schlimm wird.
    Er lebte noch immer. Die Granate hatte neben ihm ein Loch in die Erde gerissen. Den Kameraden, der vor drei Minuten zu ihm gesagt hatte, er wünsche sich eine hübsche, leichte Verletzung,»gerade genug für ein paar Wochen Urlaub daheim«, hatte es voll erwischt. Er lag ein Stück weggeschleudert im Schlamm, die Hände in den Boden gebohrt, und unter seinem Bauch quoll etwas hervor, Eingeweide und Blut.
    »Da guck doch mal, der Ulli«, rief jemand, »ich muß...«
    »Laß ihn, Mensch! Der lebt doch nicht mehr. Achtung!«
    Wieder das Surren, mit dem die Granaten anflogen. Christian duckte sich. Jedesmal, wenn ein anderer hatte dran glauben müssen, kehrte in einem unkontrollierbaren Schweißausbruch seine verfluchte Angst zurück. Er konnte nicht an gegen sein Zittern, so beschämend es war, und so oft er sich auch sagte, daßer bereit sei zu sterben, so sehr hielt er doch am Leben fest.
    »Wir sind einfach zu jung«, hatte Jorias vor einigen Wochen gesagt, nach der Erstürmung des Forts Douaumont, dessen Einnahme mit Tausenden von Toten bezahlt worden war. Zu jung... in Christians Ohren hämmerten die Worte der Lehrer von der Kadettenanstalt. »Es ist eure Pflicht und Schuldigkeit, für das Reich und

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