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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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Olga, verlaß dich darauf! ,hat sie oft zu mir gesagt. Und heute früh hat sie mit einem Soldaten gesprochen, der auch mal unter Monsieur gedient hat und der jetzt bei den Demonstrationen groß mitmacht. Die Nina kennt ja viele Soldaten. Vor der ist kein Mann sicher, müssen Sie wissen, und ich denke mir immer, es ist gut, daß der Jurij gar nicht weiß, was sie so alles treibt, wenn er nicht bei ihr ist. Der Jurij ist nämlich ihr Freund.« Olga holte tief Atem.
    »Ja, und was ist nun?« fragte Felicia ungeduldig.
    »Das will ich ja gerade sagen, Madame. Die Nina kann doch den Mund nicht halten, und deshalb hat sie mir vorhin alles erzählt. Also, die hat dem Soldaten gesagt, daß der Herr Oberst neuerdings Gäste hat, zwei deutsche Frauen nämlich, Sie und Mademoiselle Kassandra. Der Soldat hat gesagt: Er ist ja selber Deutscher, der Herr Oberst, da fragt man sich doch, wo der eigentlich steht! Die Nina hat auch gesagt, sie glaubt, der Herr Oberst hat Sie und Mademoiselle Kassandra aus einem Lager geholt. Also, wo die das wieder her weiß! Wenn Sie mich fragen, ich glaube, die lauscht an fremden Türen. Meinen Sie nicht?«
    Felicia hielt das für recht wahrscheinlich.
    »Es kommt noch besser! Der Soldat hat zu der Nina gesagt, daß Monsieur schon lange bei ihnen auf der Liste steht, also, ich weiß ja nicht, was für eine Liste der meint, aber es hört sich schlimm an, nicht? Und wissen Sie, was der Soldat zum Schlußzu Nina gesagt hat? ›Wart's ab, Schätzchen, vielleicht sitzt der gnädige Herr schon heute abend im Gefängnis!‹ So hat der gesagt.«
    »Ach, großer Gott!« Es gelang Felicia nicht, ihren Schrecken zu verbergen.
    Olga betrachtete sie, mit der Wirkung ihrer Geschichte äußerst zufrieden. »Ja, das wollte ich nur erzählen«, meinte sieund nahm ihren Koffer auf. Ihr Lächeln war berechnend und tückisch. »Ich werde dann jetzt gehen, und natürlich wäre es am besten, ich sage niemandem, daß der Herr Oberst nun gewarnt ist, nicht?« Sie sah Felicia abwartend an. Die erwiderte ihren Blick kalt. »Wieviel wollen Sie noch?«
    »Na ja, wenn ich noch mal soviel haben kann, wie Sie mir eben gegeben haben? Ich bin ja jetzt ein ganz mittelloses Mädchen, und Sie müssen verstehen, daß ich auch an meine Zukunft denken muß!«
    »Warten Sie hier. Ich spreche mit meiner Tante. Sie wird Ihnen das Geld geben.« Felicia verließ das Zimmer, eilte die Treppe hinauf. Olga war eine falsche Schlange, aber sie zweifelte nicht daran, daß sie eben die Wahrheit gesagt hatte. Hinzugehen und sie alle anzuschwärzen, war bezeichnend für Nina, und in einer Zeit wie dieser konnte das höllisch gefährlich werden. Im stillen sandte sie ein Dankgebet zum Himmel, daß er Olgas Geldgier sowohl über ihre Freundschaftsgefühle für Nina als auch über ihren Haß auf Madame hatte siegen lassen. Die Frage war nun, wieviel Zeit ihnen noch blieb und was sie tun konnten.

    Olga hatte ihr Geld bekommen und war verschwunden, und Belle packte in höchster Eile die Koffer, unterstützt von Kat und Felicia, wobei Felicia im wesentlichen die Aufgabe hatte aufzupassen, daß Nina nicht plötzlich hereinkäme und etwas merkte. Belle hatte sie mit Bügeln und Wäschesortieren beschäftigt, und ihr zufriedenes Pfeifen war weithin zu hören. Es war schwierig, die umfangreichen Reisevorbereitungen in aller Stille zu treffen, denn auch Nicola sollte nichts merken, ehe es wirklich losginge.
    Oberst von Bergstrom hatte sich in der Bibliothek eingeschlossen und rührte sich nicht. Die Situation, in die er sich unversehens gestellt sah, machte ihn fast rasend.
    Die Vorstellung, bei Nacht und Nebel sein Haus verlassen und aus der Stadt fliehen zu müssen wie ein beliebiger Krimineller, war ihm zutiefst zuwider. Noch dazu war die ganze Affäre inzwischen Gegenstand von Dienstbotenintrigen und unverhohlenen Erpressungsversuchen geworden, und das kam ihm würdeloser vor, als er überhaupt sagen konnte. Er hätte lieber seiner Verhaftung ins Auge gesehen, als vor ihr davonzulaufen, aber gegen soviel geballte Weiblichkeit, die sämtlich zur Flucht entschlossen war, kam er nicht an. Die Argumente der anderen klangen logischer als seine, und das komplizierte Gefüge von Ehre und Treue, das seinem Denken zugrunde lag, konnte er nicht in Worte fassen, schon gar nicht in solche, die Belle überzeugt hätten.
    »Warme Sachen vor allem«, murmelte Belle, »das Gut von Julius' Mutter ist schrecklich zugig und in allem noch ein wenig letztes Jahrhundert. Feine

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