Sturz Der Engel
nicht?«
»Weil ich es dir nicht sagen werde. Nicht einmal dir. Auch Dyliess nicht, wenn ihre Zeit gekommen ist. Es schmerzt zu sehr.«
»Du kannst es mir doch sagen.«
»Nein. Wenn ich es dir sage, dann wirst du und werden sich die anderen anders verhalten. Die Folge davon könnte die sein, dass wir nicht überleben. Das kann ich nicht riskieren, zumal wir schon jetzt einen hohen Preis bezahlt haben. Und wir werden weiterhin bluten und zahlen.« Sie ritt weiter.
Nylan blickte zum Turm und betrachtete Rybas dunkles Haar und die dunklen Griffe ihrer Schwerter. Ryba, die Herrin der schnellen Schiffe vom Himmel. Ryba, die Begründerin der Garde von Westwind und der Legende. Er schluckte und trieb den Grauen etwas an, um mit Rybas Braunem Schritt zu halten.
XXXVI
D er stämmige Mann mit graumeliertem Haar führt Fürst Sillek in den Raum am nördlichen Ende des Innenhofes und schließt hinter ihnen sorgfältig die Tür.
Zwei schwere Holztüren öffnen sich zur Veranda und zu dem im Schatten liegenden Springbrunnen hin, der direkt vor ihnen munter plätschert.
Sillek sieht sich im Raum um, betrachtet den mit Intarsien versehenen Schreibtisch, die beiden Bücherregale voller Manuskripte, die in kostbares Leder gebunden sind, die beiden gepolsterten Kapitänsstühle, die zu beiden Seiten eines kleinen Tisches stehen. Die Stühle sind zum Springbrunnen hin gedreht. Der Nordwind, vom Wasser des Springbrunnens zusätzlich gekühlt, weht ins Studierzimmer.
»Mein Allerheiligstes, wenn Ihr so wollt«, erklärt der grauhaarige Mann.
»Wundervoll eingerichtet, Ser Gethen«, antwortet Sillek, »und sicherlich abgeschieden genug, auch wenn …« Er deutet zu den offenen Türen und dem Springbrunnen.
»Es ist besser abgeschirmt, als man glauben könnte«, erwidert Gethen lachend. »Es hat einige Überredung gebraucht, bis der Bildhauer begriffen hatte, dass ich einen lauten Springbrunnen haben wollte.«
»Oh …« Sillek lächelt, beinahe verlegen.
»Bitte, Fürst Sillek, so setzt Euch doch.« Gethen lässt sich mit der Anmut eines Mannes, der seinen Körper beherrscht, auf dem linken Stuhl nieder.
»Danke.« Sillek setzt sich beinahe ebenso anmutig.
»Meine Gemahlin Erenthla hat ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass Ihr womöglich nur infolge ihrer eiligen Nachricht an die Fürstin Ellindyja nach Gethenhain gekommen seid. Sie hat diese Nachricht allerdings in einem Zustand größter Verzweiflung verfasst.« Gethen räuspert sich.
»Ich muss zugeben, dass die Botschaft, wenngleich nicht ihr Inhalt, mich daran erinnert hat, dass ich Euch gegenüber ein wenig das vernachlässigt habe, was die Höflichkeit gebieten würde. Mein Kommen sei also verstanden als der lange überfällige Besuch bei jemandem, der dem Haus von Lornth stets als treuer Helfer und guter Ratgeber zur Seite gestanden hat.« Sillek neigt leicht den Kopf.
Es klopft an der Tür, das Geräusch wird vom Springbrunnen beinahe übertönt. Gethen steht sofort auf, läuft über den handgewebten, mit schönen Mustern verzierten Teppich und öffnet die Tür.
»Danke, meine Liebe.« Der Herr von Gethenhain tritt zur Seite, damit eine junge blonde Frau das Studierzimmer betreten und servieren kann. Auf dem wundervoll geschnitzten Tablett stehen zwei Becher, ein abgedeckter Topf mit einer Tülle und ein flacher Teller, der in zwei Fächer unterteilt ist. Im linken liegen Carnanüsse, im rechten kleine, mit Honig gesüßte Backwaren.
Sillek erhebt sich und sein Blick wandert von den Leckereien zu der jungen Frau, die sie gebracht hat. Mit einem silbernen und schwarzen Band hat sie das schulterlange blonde Haar zusammengebunden, damit es ihr nicht ins Gesicht fällt. Die Augen sind dunkelgrün, die Haut von hellstem Gold, die Nase gerade und ebenmäßig und gerade stark genug, um einen schönen Kontrast zum mädchenhaften Kinn und den hohen Wangenknochen zu bilden.
»Dies ist Zeldyan, meine mittlere Tochter. Zeldyan, dies ist Fürst Sillek.«
Zeldyan stellt das Tablett auf den kleinen Tisch, richtet sich auf und knickst artig vor Sillek, wobei sich der Ausschnitt ihres Kleides weit genug öffnet, um Sillek zu zeigen, dass nicht nur ihr Gesicht wohlgeformt ist. »Euer Gnaden, ich bin Euch jederzeit zu Diensten.« Ihre Stimme klingt ein wenig nach gedämpften Glocken.
»Und ich bin Euer Diener«, erwidert Sillek. Er hat Mühe, nicht vor Verlegenheit zu schlucken.
»Wir sehen uns dann beim Abendessen, Zeldyan.« Gethen lächelt liebevoll.
Sie verneigt
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