Sturz Der Engel
schauderte und ließ sich von ihm halten, aber sie wollte sich nicht mehr zu ihm umdrehen, während sie lautlos schluchzte.
XLIII
I m nördlichen Hof vor dem Badehaus hob Nylan den Hammer und den Meißel. Hinter ihm waren Denalle und Huldran auf dem Dach damit beschäftigt, die Dachpfannen auf die Querbalken zu nageln, die mit den Tragbalken in der Weise verbunden waren, dass eine glatte Auflage entstand.
Die Wolken droben waren weiß und dick wie Sommerwolken, aber der kalte Hauch des Herbstwindes erzählte eine andere Geschichte. Im Westen schienen die Wolken gleichmäßig verteilt und Nylan hoffte, es würde auch so bleiben. Er betrachtete die beiden Frauen auf dem Dach. Cessya war mit Ayrlyn ausgeritten.
»… verdammten Kürbisse oder was sie auch waren … noch nicht richtig reif … bitter im Eintopf und schlimmer als altes Bärenfleisch …«
»Jammere nur weiter, Denalle, dann nagle ich deine Hand unter die nächste Dachpfanne«, knurrte Huldran.
»… Kartoffeln sind gut … hoffentlich haben wir genug davon …«
»Noch ein paar Nägel, Denalle.«
Nylans Blicke wanderten vom unvollendeten Dach zum dunklen Stein vor ihm, aus dem ein Abschnitt einer Wasserleitung entstehen würde.
»… und Ihr könnt nicht einmal ein paar Kanäle in Steine schlagen?«, hatte Narliat auf Gerlichs Drängen hin gefragt. Und Ryba hatte Nylan hängen lassen.
Im Grunde war die Entscheidung ganz einfach. Er konnte die Duschen vergessen. Er konnte die Zuleitungen aus Holz bauen, was bedeutet hätte, dass sie ständig gewartet werden mussten, oder er konnte mit primitiver Technik versuchen, Steine zu schneiden. In einer unterentwickelten Kultur war Reinlichkeit wichtig für Gesundheit und das Überleben und wenn er es den Leuten nicht einfach oder halbwegs bequem machte, würde die Reinlichkeit den gleichen Weg gehen wie die Winterspeer. Außerdem würde Gerlich ihm zu schaffen machen, wenn er irgendeinen Plan aufgab. Er konnte den großen Mann immer weniger leiden. Lag es daran, dass er lernte, den eigenen Gefühlen mehr zu vertrauen? Und Ryba – wie viel verschwieg sie ihm, damit Westwind überleben konnte?
Er leckte sich die Lippen. In gewisser Weise spielte es keine Rolle. Ihm blieb einfach nichts anderes übrig, als das Badehaus auf die mühsame Art und Weise zu vollenden. Er holte tief Luft und betrachtete den dunklen Steinklotz, ließ die Sinne durch den Brocken wandern und folgte den Spannungslinien und Rissen. Wenn er hier ein bisschen anstieß und dort etwas drückte … vielleicht würde der Stein dann brechen.
Er schlug mit dem Hammer auf den Meißel. Der Aufprall ließ seinen ganzen linken Arm zittern. Es gab ganz sicher ein Verfahren, um Steine zu schneiden, aber er kannte es nicht. Wieder hob er den Hammer.
Beim nächsten Schlag sprang ein Span aus dem Stein, der so groß war wie sein Daumen, aber die Erschütterung lähmte ihm immer noch den Arm.
Ein Dutzend Schläge später hatte er gelernt, in welchem Winkel er den Meißel ansetzen musste und dass er den Meißel nur locker halten durfte. Außerdem hatte er eine schmale Rinne in den Stein geschlagen.
Die Wolken hatten sich fast verzogen, der Himmel war von einem hellen Blaugrün. Nur der Wind war kälter und stärker geworden.
Noch bevor er die Hufschläge hörte, konnte Nylan spüren, dass Pferde sich näherten. Er wusste, dass es Marineinfanteristinnen waren, die von Ayrlyn angeführt wurden. Mit ihnen kam nicht das Weiße Chaos, das die Einheimischen zu begleiten schien.
Von fünf Reiterinnen eskortiert, kam der Karren, den sie bei Skiodra gekauft und überholt hatten, über die Hügelkuppe und fuhr den Weg zum Turm hinunter. Wegen der jüngsten Regenfälle war der Lehmboden feucht und es staubte nicht. Hinter Istril saß eine Frau in zerfetzter Lederkleidung und langem braunem Haar auf dem Pferd. Wieder eine Geflohene?, fragte sich der Ingenieur. Und Istril? Sie ritt nicht anders als sonst. War das, was Ryba gesehen hatte, doch nur eine Vision gewesen? Etwas, das nur eintreten könnte?
Nylan zuckte mit den Achseln. Er fragte sich, wie viele Frauen noch zum Schwarzen Turm kommen würden, bevor der Winter begann. Da die Zahl der Engel dezimiert worden war, wären neue Rekruten natürlich eine Hilfe – vorausgesetzt, es gab genug zu essen. Sie hatten die Schafe und die Hühner, aber womit sollten sie das Vieh den Winter über füttern? Mussten sie dazu nicht mehr Korn beschaffen? Und Gras oder Heu oder sonst etwas?
Als die Pferde
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