Sturz Der Engel
Badehauses, wo sie unter dem Dach geschützt waren, und bog die wunden Finger, an denen er mit der Zeit dicke Schwielen bekommen hatte. Jetzt hatte er sich allerdings mehrere kleine Blasen zugezogen.
»Ihr habt es wirklich geschafft«, sagte er zu Huldran, als er das fertige Dach sah.
»Der Dunkelheit sei Dank, dass die Heilerin noch ein Fässchen Nägel aufgetrieben hat.« Die Marineinfanteristin klopfte an die selbst gezimmerte Leiter, die sie gerade heruntergeklettert war. »Ich hätte es ja selbst nicht vermutet, aber es scheint so, als würdet Ihr das Badehaus und die Wäscherei tatsächlich fertig bekommen, Ser.«
»Ich dachte, ihr legt Wert darauf, möglichst bald duschen zu können«, scherzte Nylan.
»Die Entscheidung, ob man lieber stinken oder sich mit eiskaltem Wasser waschen will, ist wirklich nicht leicht.« Huldran zog die Leiter vom Dach ab und brachte sie ins Gebäude, dann sammelte sie die Nägel ein, die sie fallen gelassen hatten.
Jeder Nagel war kostbar, dachte Nylan, vor allem in einer unterentwickelten Welt, wo sie von Hand hergestellt werden mussten. Er ging um den Turm herum zum Bach und hoffte, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie das Badehaus benutzen konnten.
Nachdem er sich Hände und Gesicht gewaschen hatte, kehrte er zum Turm zurück und pfiff ein paar Töne, als er sich dem fast fertig gestellten, überdachten Gang zwischen Turm und Badehaus näherte. Wie waren noch die Worte, die zu den Noten gehörten?
»… ein Ingenieur wird niemals fertig mit dem Tagewerk und wenn er noch so lang den Hammer schwingt.«
Er lächelte in sich hinein und öffnete die Tür, die nicht mehr über die Steine kratzte. Saryn und Selitra hatten fast einen ganzen Vormittag gebraucht, um das Holz zu glätten und abzuschleifen, bis es passte.
»Du bist ja so fröhlich, Ingenieur«, begrüßte Gerlich ihn. Narliat verneigte sich nur.
»Das Schneiden der Steine geht jetzt etwas besser und Huldran ist mit dem Dach fertig.«
»Gut.« Gerlich schenkte ihm ein rasches Lächeln, dann drehten er und Narliat sich um und ließen Nylan, der gerade die Nordtür hinter sich geschlossen hatte, einfach stehen.
Der Ingenieur wunderte sich, warum die beiden sich nicht freuten. Wollten sie denn lieber stinken oder in kaltem Wasser baden? Oder störte es sie, dass Nylans Leistungen Rybas Autorität festigten, was dazu führte, dass die Wächterinnen sich ihr bereitwillig unterordneten? Denn wenn es um Unterordnung ging, dann hätte natürlich am liebsten Gerlich selbst die Befehlsgewalt gehabt. Allerdings wäre das eine Katastrophe gewesen. Ryba tat, was getan werden musste, aber Nylan wusste, dass sie es sich nicht leicht machte. Gerlich würde enden wie ein beliebiger Tyrann auf diesem Planeten.
Er rieb sich das Kinn und fragte sich, warum so viele Männer das Bedürfnis hatten zu herrschen. Aber vielleicht würden Frauen sich genauso verhalten, wenn sie die Chance dazu bekämen.
Schließlich zuckte er mit den Achseln und ging zum anderen Ende des großen Saals, von wo ihm der Duft frisch gebackener Brote und gerösteter Zwiebeln entgegen wehte.
XLIV
H issl schreitet unruhig in der kleinen Kammer hin und her und schaut aus dem Fenster zum Fluss und den Stoppelfeldern dahinter. Die Sonne glänzt in den Pfützen, die auf den Äckern stehen, aber der Himmel nimmt langsam jenen bläulichen Schimmer an, der den Winter ankündigt. Der Magier wendet den Blick von der Aussicht ab und kehrt zum Tisch zurück.
»Nichts! Wir sitzen hier herum und warten und Terek trifft sich mit Fürst Sillek, während ich vor Langeweile schier umkomme.«
Er schreitet wieder durch den kleinen Raum, kommt noch einmal am Tisch und am Spähglas vorbei, kehrt wieder zum Fenster zurück. Die Pfützen auf den Äckern scheinen ihn böse anzustarren.
Schließlich lässt er sich an dem Tisch nieder, auf dem das flache, einem Spiegel ähnliche Spähglas liegt. Er konzentriert sich und die weißen Schwaden beginnen zu wirbeln. Er konzentriert sich weiter, bis sich Schweißperlen auf seiner Stirn sammeln, obwohl es im Raum angenehm kühl ist. Von der Bäckerei unten weht der Duft von Brot herauf und leise Stimmen sind zu hören.
Endlich erscheint das Bild im Glas – das Abbild des Schwarzen Turms, neben dem jetzt ein zweites, niedrigeres Gebäude steht, bereits mit den gleichen schwarzen Dachpfannen gedeckt wie der Turm. Eine kurze, mit Mauern eingefasste Zufahrt führt zur schweren Tür des Turms, die mit Metallstreifen verstärkt
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