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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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anderen Seite nieder.
    »Warum seid Ihr hier oben?«, fragte der Ingenieur.
    »Das ist der einzige Ort, wo ich allein sein kann. Manchmal …« Relyn schüttelte den Kopf.
    »Es überrascht mich, dass Ihr Euch noch mit keiner Wächterin eingelassen habt.«
    »Es ist … es ist schwer, sich mit jemandem einzulassen, wie Ihr es ausdrückt, wenn man weiß, dass die Betreffende einen mit einem einzigen Hieb töten könnte.«
    »Warum?«, fragte Nylan. »Egal, mit wem Ihr wo schlaft, so etwas könnte Euch immer passieren.«
    »Ihr bringt immer wieder beunruhigende Einwände vor, Magier. Daheim – als ich noch ein Heim hatte – hätte man jeden, der mich getötet hätte, gefoltert und dann umgebracht.«
    »Wenn jemand Euch hier tötet, wird die Betreffende bestraft werden. Wo ist der Unterschied?«
    »Es ist etwas anderes«, beharrte Relyn.
    »Das mag wohl sein. Hier müsst Ihr den anderen Vertrauen und untersteht einer Befehlsgewalt, die Ihr nicht kennt. Ich glaube, das bedeutet wohl, dass Ihr noch nie jemandem wirklich vertraut habt.« Nylan stand auf.
    »Magier … wenn wir in Carpa wären, dann würde ich Euch fordern.«
    »Warum? Ist die Wahrheit so schrecklich? Die meisten Menschen, die Macht haben, sagen immer, dass sie den anderen Menschen vertrauen, während sie in Wirklichkeit damit meinen, dass sie nur Vertrauen haben, solange sie die Kontrolle über die anderen ausüben können. Echtes Vertrauen ist nur dort möglich, wo man nicht die Kontrolle hat.«
    »Ich hätte lieber die Kontrolle.«
    »Das möchten wir alle … aber selbst das ist meistens nur eine Illusion.« Nylan erinnerte sich an Rybas Schwierigkeiten mit ihren Visionen. »Sogar für die Herrscher. Wenn ein Herrscher sein Volk zu schwer besteuert, gibt es einen Aufstand und er muss die Leute töten.«
    »Das sollte er wohl auch tun«, erklärte Relyn.
    »Aber Tote zahlen keine Steuern mehr. Also muss der Herrscher als Nächstes, weil es weniger Leute gibt, von denen er Steuern bekommt, die anderen noch schwerer besteuern, um die Soldaten zu bezahlen. Und er wird immer mehr Soldaten brauchen, weil die Leute immer unglücklicher werden. Mehr Soldaten haben heißt aber, dass er noch mehr Steuern erheben wird, und das macht die Leute wiederum noch unglücklicher. Seht Ihr, wohin das führt?«
    »Aber …« Relyn schaute zu Nylan auf.
    »Kontrolle ist nicht so gut, wie man meinen könnte, Relyn. Wenn Ihr einen Mann tötet, dann macht Ihr Euch seine Familie zu Feinden. Wie viele Feinde kann sich ein Herrscher erlauben? Seht Ihr, dass die Marschallin besseres Essen isst als die Wächterinnen?«
    »Nein.«
    »Trägt sie Juwelen oder andere Zeichen von großem Reichtum?«
    »Nein.«
    »Folgen ihr die Wächterinnen überall hin?«
    »Ich glaube schon.«
    Nylan lächelte. »Überlegt es Euch.« Er ging die Treppe hinunter und fragte sich, warum er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte. Was er gesagt hatte, musste für jemanden in Relyns Lage sehr beunruhigend sein und der junge Adlige war offensichtlich verstört. Hatte er etwas Sinnvolles erreicht? Sein Kopf pochte leicht. Warum? Weil das, was er gesagt hatte, nicht ganz der Wahrheit entsprach? Ryba hatte etwas, das die anderen nicht hatten – Macht. Es mochte die Macht sein, die sich aus der Notwendigkeit ergab, aber es war Macht. Nylan schüttelte den Kopf. Er konnte anscheinend nicht einmal mehr provozierende Gedanken äußern, die möglicherweise irreführend waren, ohne dabei Kopfschmerzen zu bekommen.
    Nylan rieb sich die Stirn und ging die Treppe hinunter. Der große Saal war praktisch leer, nur Ayrlyn saß dort und spielte leise auf der Lutar. Wahrscheinlich arbeitete sie an einem neuen Lied. Er blieb einen Augenblick stehen und sah der Rothaarigen zu, die einen Akkord oder eine Zeile probierte, aber sie bemerkte ihn nicht.
    Er wandte sich zur Südtür, wo der kalte Wind durch die Spalten wehte. Ein feiner Schleier aus Schnee bedeckte die Steine vor der Tür und verlagerte sich mit jeder Bö, die um den Turm pfiff.
    Nylan ging weiter hinunter und dachte an die Wiege, die er gerade baute. Dyliess brauchte einen Schlafplatz und eine Wiege zu bauen war sicher keine schlechte Idee.

 
LI
     
    A us der hinteren Ecke des Raumes kommt die Wärme eines gut geschürten Feuers, doch Terek trägt nach wie vor eine dicke weiße Wollweste über seinen Gewändern. Das Gesicht des Weißen Magiers ist vor Anstrengung gerötet, aber Sillek ignoriert dessen Bemühungen und hat nur Augen für das Bild im Glas auf

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