Sturz Der Engel
gehabt, um es fürs nächste Jahr anzupflanzen.«
»Wir haben aber jetzt Hunger.«
»Halt die Klappe, Denalle«, sagte Rienadre. »Irgendjemand muss doch vorausdenken. Oder glaubst du, hinter dem nächsten Hügel ist ein Lebensmittelmarkt oder ein Samenhändler?«
»Hör auf damit, ich bin diese Bevormundung leid. Ich bin euch alle leid, ich bin den ganzen Planeten leid. Ich will hier raus. Raus, versteht ihr! Versteht ihr mich?«
»Ich glaube, das hat das ganze Dach der Welt gehört«, warf Nylan ein, bevor die Heilerin etwas sagen konnte. »Die Marschallin würde dich vermutlich jederzeit gehen lassen. Die Frage ist nur, ob du geschlagen, vergewaltigt oder getötet werden wirst oder als bezahlte Dirne arbeiten willst, sobald du die nächste Stadt erreichst.« Er zuckte mit den Achseln. »Wer weiß? Vielleicht findest du sogar einen Bauern, der so nett ist, dich zu füttern und dir ein Dach über dem Kopf zu geben, damit du ihm ein Dutzend Kinder schenkst.«
Denalle starrte den Ingenieur böse an, der den Blick gelassen erwiderte.
Dann schlug sie die Augen nieder. »Ich hasse diesen Planeten.«
»Ich glaube, keiner von uns hätte sich freiwillig für ihn entschieden«, fuhr Nylan ruhig fort. »Aber wir müssen eben versuchen, das Beste daraus zu machen. Wenn du Ideen hast, wie wir etwas verbessern können, dann sag es. Wir sind für Vorschläge offen.« Er wollte zum Karren gehen, aber dann blieb er noch einmal stehen und wandte sich an Ayrlyn. »Es macht dir doch nichts aus, wenn ich den Karren nehme? Ich will Steine transportieren.«
»Steine?«, fragte Ayrlyn.
»Ich will einen gemauerten Abwasserkanal und eine Behelfsbrücke bauen, wo der Abfluss die Straße kreuzt. Solange ich das nicht in Ordnung bringe, wird es immer schlimmer werden. Und danach will ich, wenn ich kann, mit den Steinen die Straße von der Zufahrt bis zur Brücke pflastern, nach Möglichkeit sogar noch weiter den Hügel hinauf. Dann müssen wir uns irgendwann keine Sorgen mehr wegen des Schlamms machen.«
»Ich dachte, du wolltest eine Schmiede bauen.«
»Wahrscheinlich werde ich beides tun. In der Schmiede kann ich nicht arbeiten, solange ich keine Holzkohle habe. Ich brauche Hilfe beim Fällen der Bäume, aber das muss warten, bis die Saat ausgebracht ist.«
»Du brauchst eine Menge Steine«, überlegte Ayrlyn. »Ja, du kannst den Karren haben. Wenn nötig, können wir ihn uns ja jederzeit holen.«
Nylan lächelte und ging zu den Ställen.
»Nimm die graue Stute«, rief Ayrlyn ihm noch hinterher. »Sie ist an den Karren gewöhnt.«
Als der Ingenieur die graue Stute angeschirrt und eingespannt hatte, war die Saatmannschaft schon draußen.
Er steckte das Schwert mit der Scheide in den Spalt neben dem Sitz, wo er es leicht erreichen konnte. Ryba hatte darauf bestanden, dass er die Waffe immer griffbereit haben müsse. Dann schnalzte er mit den Zügeln. »Los jetzt, Mädchen.«
Er warf einen Blick zum Schwert. Dank des Trainings, das er ebenfalls auf Rybas Drängen hin auf sich genommen hatte, wurde er langsam besser, aber wirklich wohl fühlte er sich mit dem Schwert nicht, auch wenn es ihm inzwischen gelang, den schlimmsten Angriffen mit den hölzernen Übungsschwertern zu entgehen. Er war, mit Ausnahme von Ryba und Saryn, sogar besser als die meisten Wächterinnen und konnte inzwischen mit seinem Schwert Trockenübungen machen, ohne sich ein Ohr oder andere Körperteile abzusäbeln.
Wieder schnalzte er mit den Zügeln. Der Graue schüttelte unwillig den Kopf, lief aber gehorsam durch den Schlamm zu den Felsvorsprüngen, die ein wenig oberhalb der Ställe in die Schlucht ragten.
Steine gab es mehr als genug. Nylan belud langsam den Karren, bis er den Eindruck hatte, die Räder würden gleich nachgeben. Inzwischen hatte er auch das Gefühl, sein Rücken wäre krumm.
»Schwere Arbeit … davon hat man mir auf der Ingenieursakademie nichts verraten«, erklärte er murmelnd dem grauen Pferd.
Die Stute antwortete nicht, sondern kaute die paar Grashalme, die sie von der Stelle aus, wo Nylan sie angebunden hatte, erreichen konnte. Sie kaute weiter, als er sie losband und sie und den Wagen langsam an den Ställen und dem Bauplatz der Schmiede vorbei bis zum riesigen Loch in dem verschlammten Flecken führte, der einmal eine Straße gewesen war.
Dort lud er die Steine nacheinander ab und stapelte sie in der Reihenfolge, wie er sie vermutlich brauchen würde. Als der Karren leer war, schnalzte er wieder mit den Zügeln. Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher