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Sturz der Tage in die Nacht

Sturz der Tage in die Nacht

Titel: Sturz der Tage in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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weißem Grund
Platz der Einheit
. Es mochte wie Kalkül aussehen, dass er sich mit seinem Immobilienbüro ausgerechnet hier eingemietet hatte. Dabei hatte er bloß ein gutes Gespür gehabt.
    Die richtige Peilung.
    Nur Feldberg hatte er unterschätzt. Der Mann wusste, wie man eine Sache deichselte. Er hatte es nicht verlernt. Er musste in den letzten zwanzig Jahren seine Technik auf den neuesten Stand gebracht haben. Die Leidenschaft, mit der sich Feldberg in seine Aufträge hineinkniete, störte allerdings ein bisschen. Ging ihm manchmal richtig auf die Nerven. Umso besser, dass das Kapitel Inez jetzt abgeschlossen werden konnte. Der Eifer, mit dem Feldberg sich besonders in diesen Auftrag hineingekniet hatte, hätte ihm am Ende noch gefährlich werden können. Schon die Rauschgiftanzeige gegen Inez war überzogen gewesen. Und jetzt diese abstruse Ödipusstory. Damit war er völlig übers Ziel hinausgeschossen. Aber das verlor einer wie Feldberg einfach aus dem Blick. Das sah der nicht mehr, wenn es mit ihm durchging. Vielleicht wusste Feldberg schon selbst nicht mehr, welche seiner Storys er sich ausdachte und welche nicht.
Ausbaufähige Legendierung.
    Dachte Felix Ton auf seinem cremefarbenen
Topstar Master
, der unter seinem Gewicht leicht wippte.
    Aber schließlich brauchte ein Mensch eine Beschäftigung. Auch Feldberg. Mit einem vom Arbeitsamt bezahlten Anschubseminar zur Selbständigkeit und einem Detektivbüro, das dauernd an der Pleite vorbeischrammte, war kein Staat zu machen, wie man so sagte. Das warf nichts ab. Die gutbezahlten Aufträge in Feldbergs Branche hatten sich die Kollegen der Hauptabteilung II gesichert.
    Da hatte es ein bisschen Gerangel gegeben. Ein paar unschöne Streitereien Anfang der Neunziger.
    Futterneid, wenn man ihn fragte.
    Am Ende hing alles von den Großkonzernen ab. Die trauten den Leuten von der Spionageabwehr mehr zu, obwohl das auf reiner Wortnostalgie beruhte. Mit der Realität hatte das nichts zu tun. Die westdeutschen Konzerntypen mussten in ihrer Jugend Spionageromane gelesen haben und hielten das Anheuern von ehemaligen HA II -Leuten jetzt für den ganz großen Coup. Dabei ging es oft nur darum, ein paar übereifrigen Lokalreportern das Handwerk zu legen.
    Feldberg wäre dafür der richtige Mann gewesen. Der hätte ihnen das für ein Drittel des Honorars gemacht. Er hätte nur mal einen vernünftigen Cappuccino mit einem der Medienheinis zu trinken brauchen.
    Aber mit Realität, das hatte Ton schon kapiert, hatte das Leben selten zu tun.
    Stattdessen musste Feldberg damit rechnen, dass man ihm die wenigen Aufträge wieder wegnahm, wenn einer seiner mittelständischen Auftraggeber spitzkriegte, dass er bei der politischen Truppe gewesen war.
    Es tat gut, einem alten Kumpel ein Erfolgserlebnis zu verschaffen.
    Dachte Ton und drehte eine Runde auf seinem Stuhl.
    Verdammt gut.
    Dass Feldbergs
Kontakt
im Landesumweltamt tatsächlich mehr war als ein Spruch aus alten Zeiten, das kam ihm, wenn er ehrlich war, immer noch erstaunlich vor. Und Ton war jetzt auch ohne Hennessy sehr ehrlich.
    Glück hatte diese Ehrlichkeit verdient.
    Der Spätsommertag vor dem Fenster war ungewöhnlich weich. Ein fasriges Licht fiel durch die Bäume. Die Federwolken luden dazu ein, die Sekretärin zu küssen, und Ton küsste seine Sektretärin, die sich wie immer etwas zu lange und zu tief in ihm festbohrte. Er gab ihr einen Klaps und sprintete die Treppe hinunter.
    Eine überhitzte Straßenbahn brachte ihn zum
Schlaatz
. Er wusste, wo er Feldberg finden würde. Die Schwimmhalle am
Schlaatz
war wieder in Betrieb. Durch großzügige Öffnungszeiten versuchte die Stadt, die Kosten der Sanierung reinzuholen. Die Fassade sah immer noch ostig aus. Daran hatte die Sanierung nichts geändert. Das Dach glänzte greller, die Fassade war bemalt, aber der Vorbau im Eingangsbereich war aus billigem Glas und zeigte das ganze Ausmaß kommunaler Einfallslosigkeit. Da knallten sie Glasfronten vor den alten Schrott, dachte Ton, und gerieten darüber so aus dem Häuschen, dass ihnen völlig entging, wie durchsichtig Glas war. Es stellte bloß. Selbst dort, wo man den alten Osten abgerissen hatte, zeigte die Billigbauweise nur, was man von diesem Osten denken sollte; langweiliges Nick-Volk ohne Eigensinn, das bis auf weiteres gut vom Westen unterscheidbar wäre.
    Schlaatz
war ein Name, aus dem sich nichts weiter rausholen ließ. Er eignete sich bestenfalls zum Kosewort für Menschen mit Schrebergärten.
    Dachte Ton und

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